Recepción de las Obras Musicales de Johann Sebastian Bach en las Escuelas Pianísticas del Siglo XIX hasta Ferruccio Busoni

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Descripción

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”ZUR REZEPTION DER MUSIKWERKE VON JOHANN SEBASTIAN BACH IN KLAVIERSCHULEN DES 19. JAHRHUNDERTS BIS FERRUCCIO BUSONI”

Magisterarbeit zur Erlangung der Würde des Magister Artium der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Armando Viesca Segura aus MEXIKO

Hauptfach: MUSIKWISSENSCHAFT

INHALTSVERZEICHNIS

2

Vorwort

3

1. Geschichtlicher Abriß der Bachanschauung

6

2. Zur Rezeption Bachs in Klavierschulen des 19. Jahrhunderts 2.1. Bestandsaufnahme

10

2.2. Zur Geschichte der Frühdrucke und frühen Klavierschulen

13

2.3. Qualitative Analyse - Bewertung Bachs innerhalb der Klavierschulen des 19. Jahrhunderts

21

3. Interpretationen im Vergleich 3.1. Veränderungen

25

3.2. Phrasierung und Artikulation

35

3.3. Dynamik

57

3.4. Tempoangaben

64

3.5. Ornamentik

73

* Resumee

86

4. Auflistung der Klavierschulen und der ihnen zugeordneten Bach-Werke 89 5. Literaturverzeichnis

96

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VORWORT Der Geschichte der Kunst eines großen Meisters nachzuspüren bedeutet zugleich, einem tieferen Verständis seines Werkes näherzukommen Über die Musik von Johann Sebastian Bach ist so viel und so gründlich geforscht worden wie über wenige Komponisten, und doch ist zur Rezeption seiner Klavierwerke in den Klavierschulen des 19. Jahrhunderts (bis Ferrucio Busoni) wenig geschrieben worden. Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein historisches Bild dieser Bach-Interpretation durch die Klavierschulen 19. Jahrhunderts zu geben, d. h. wie seit dem frühen 19. Jahrhundert sein Werk verstanden wurde. Einerseits bestand ein historisches Interesse, wie es der erste Bach-Biograph J. N. Forkel gezeigt hat,1 andererseits präsentierten die Klavierschulen des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts2 den Schülern Teile seines Werkes, da sie als eine kontrapunktische Meisterschaft angesehen wurden. Die meisten Klavierschulen wurden bis ins späte 19. Jahrhundert für den Unterricht mit Lehrern und für Autodidakten verfaßt. Um diesen Autodidakten das nötige praktische und theoretische Wissen zu vermitteln, mußte der erklärende Text musikalische und kompositorische Belange beschreiben, wie es beispielsweise in der Czerny- oder Busoni-Bach-Ausgabe geschah. Im 19. Jahrhundert wurde das Klavier zum populärsten Instrument der Hausmusik. 3 Musik von Bach wurde auf diesem Instrument gespielt und ist aufgrund der ansteigenden Ansprüche an die Spieltechnik adaptiert worden. Ferrucio Busoni meinte4 dazu, daß bei Bach "der Ausgangspunkt des modernen Klavierspiels zu suchen" sei, und "dass die Erweiterung, die »Modernisierung« einiger seiner Werke (durch Liszt, Tausig u.a.) nicht gegen den »Bachschen Stil« verstößt, - ja, diesen erst zu vervollständigen scheint, ...". Die Frühzeit des Hammerklaviers beschäftigte sich entsprechend der Zeit mit den Regeln des Spiels, daneben traten die typisch instrumentalen Spielprobleme auf, wie sie sich durch die baulichen Gegebenheiten dieser Instrumente auftaten. Ab ca. 1800 beobachten wir durch die weite Verbreitung des Pianoforte nicht nur eine Steigerung der Technik durch das Virtuosentum und eine Erweiterung der Möglichkeiten auf dem Klavier, sondern eine große Vielfalt an spielerischen Experimenten wie im

1Wolff,

Christoph: "Der Stile antico in der Musik Johann Sebastian Bachs", Franz Steiner Verlag, Wiesbaden, 1968, S. 2. 2 Adam, Louis: "Methode de pianoforte du Conservatoire de Paris", Paris 1804. Clementi, Muzio: "Clementi's vollständige Clavierschule", Wien 1815. Hummel, J.N.: "J.N. Hummel's Klavierschule", Wien 1827. u.a. 3 Batel, Günther: "Handbuch der Tasteninstrumente und Ihrer Musik".Orbis Verlag, München 1991. S.8f. 4 Busoni, Ferruccio: "Joh. Seb. Bach Klavierwerke / unter Mitwirkung von Egon Petri und Bruno Mugellini / Hrsg. von Ferruccio / Band I / Das Wohltemperierte Klavier / erster Teil / Bearbeitet und erläutert, mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Klavierspieltechnik von F.B." / Breitkopf & Härtel, Leipzig (u.a.) 1894, Vorwort.

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4. Kapitel ("Interpretationen im Vergleich") gezeigen werden wird. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte der Klavierbau einen bedeutenden Aufschwung. Das Hauptaugenmerk lag dabei u. a. auf der Steigerung der Klangstärke des Instruments, denn zwischen Klavierbau und Klaviermusik des 19. Jahrhunderts bestanden enge Beziehungen. So sind die Pianofortebauer jahrzehntelang um die Herstellung von Instrumenten bemüht gewesen, die dem Wunsch zu gesteigerter Klangfülle und klavieristischer Virtuosität möglichst weit entsprachen. Damit sind die Instrumente den Anforderungen einer neuen Spieltechnik und Interpretationsweise, die sich seit dem Beginn der musikalischen Romantik am Anfang des 19. Jahrhunderts abzuzeichnen begann, entgegengekommen. Sowohl im 19. Jahrhundert als auch in früheren Zeiten ging die Tradition des Ablösens der mündlichen Unterweisungen durch Instruktionen mittels Lehrwerken Hand in Hand mit der Verselbständigung der Instrumentalmusik. Die anwachsende Virtuosität führte in der Folge zu einer vermehrten Anzahl von eigens für Unterrichtszwecke konzipierten Werkeng 5 Das Ziel dieser anwachsenden Virtuosität war und bleibt die Ausbildung des Schülers in technischen, physiologischen und musikalischen Belangen. Der Ausgangpunkt für diese Ausbildung war unterschiedlich, denn die Auffassungen hinsichtlich der Methodik variierten. Versuchten die Autoren einerseits einen umfassenden Lehrgang, der den Grundstock für Spieltechnik, allgemeine Musiklehre bzw. analytisches Wissen und Musikalität legen sollte, zu erstellen, spezialisierten sie sich anderseits auf Gebiete wie Etudenspiel, Blattspiel etc.. Das Lehrwerk des 19. Jahrhunderts wurde zum Spiegel des Zeitgeschmacks und der Musikauffassungen. Es war in engem gesellschaftlichen Zusammenhang mit der Wertigkeit der Musik zu verstehen, deren Normen es unterworfen war. Somit prägten pädagogische Werke Musikauffassungen dadurch, daß sie den Schüler als erstes mit Spielliteratur konfrontierten, aus der jeder Schüler sein Repertoire schöpfen konnte. Ein Aspekt dieser anhand von Klavierschulen ablesbaren Repertoirebildung, und zwar die Rezeption der Bachwerke, bildet den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Wenn, wie noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, nahezu ausschließlich zeitgenössische Musik gespielt wird, gibt es zwischen den Komponisten, den Klavierlehrern, den Interpreten und dem Zuhörer weitgehende Übereinstimmung. Die Probleme einer richtigen Interpretation stellen sich nicht, was zählt ist allein der Geschmack. - Wenn nun in einer kulturell in sich ruhenden Zeit dennoch ein älteres Werk aufgeführt wurde - meist im Bewußtsein, etwas sehr Ungewöhnliches zu tun,- dann musizierte man nach den stilistischen und ästhetischen Maßstäben der Gegenwart. Mendelssohns Bach-Aufführungen Anfang des 19. Jahrhunderts waren wohl Beispiele dafür. Bezüglich der Quellen ist noch festzustellen, daß Bach prinzipiell für seine Zeitgenossen, nicht für uns, geschrieben hat, was bedeutet, daß er alles, was er für allgemein bekannt hielt, nicht 5

Auch Virtuosen wie F. Liszt, der sich sein Können hart und diszipliniert erarbeitet hat, führt dieses auf Methoden der Klavierschulen, v. a. seines Lehrers Carl Czerny zurück. Lit.: Matuschka, Mathias: "Die Erneuerung der Klaviertechnik nach Liszt", BMA (Berliner Musikwissenschaftliche Arbeiten) Hrsg. von Carl Dahlhaus und Rudolf Stephan, Bd.31. Musikverlag Emil Katzbichler, München-Salzburg 1987.

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niederschrieb. Oft wären aber das gerade die Informationen, die wir in der heutigen Zeit am nötigsten hätten. Im Zeitalter Bachs waren Praxis und Theorie noch nicht getrennt wie heute. Wir müssen uns also in "gebildete Zeitgenossen" hineindenken, um zu verstehen, warum der Autor gerade das beschreibt, und jenes nicht.

Vorliegende Magisterarbeit wird nur einen

Beitrag zur Rezeption der Klavierwerke von Johann Sebastian Bach in den Klavierschulen des 19. Jahrhunderts geben. Sie umfaßt vier Kapitel: das erste widmet sich dem geschichtlichen Überblick der Bachanschauung, das zweite Kapitel beleuchtet die Rezeption Bachs in Klavierschulen des 19. Jahrhunderts in drei Aspekten (Bestandaufnahme der wichtigsten untersuchten Klavierschulen, Geschichte der Frühdrucke von Bachs Klavierwerken und frühen Klavierschulen sowie eine qualitative Analyse der im Repertoire der Klavierschulen erschienenen Bach-Werke); im 3. Kapitel geht es dann um fünf wichtige Gesichtspunkte, deren verschiedene Interpretationsweisen mit der Urtextausgabe6 (NBA) verglichen werden, wobei aufgezeigt wird, inwieweit Klavierschulen die Rezeption Bachscher Werke widerspiegeln. Obwohl man über dieses Thema viele Bücher schreiben könnte, versucht der Beitrag eine Erklärung der vielfältigen Interpretationsarten der Klavierwerke Bachs im 19. Jahrhundert zu geben. Im 4. Kapitel werden schließlich die Bachwerke den Klavierschulen des 19. Jahrhunderts bis Ferruccio Busoni zugeordnet. Eine Arbeit des Umfangs wie die vorliegende kann ein Problem nicht »abschließend« diskutieren. Fragen werden offenbleiben. Zum Abschluß möchte ich meinen aufrichtigen Dank an meine ehemaligen Klavierprofessoren Edith Picht-Axenfeld, Carlos Vazquez, Jorge Suarez und Lazar Berman für ihre Freundschaft ausdrücken. Ich danke besonders meiner Freundin Annette Gerschberg für ihr Verständnis und ihre wertvolle Hilfe beim Korrekturlesen. Bei Prof. Dr. Dr. h.c Hans Heinrich Eggebrecht, Prof. Dr. Hannsdieter Wohlfarth und Gabriel Menéndez Torrellas möchte ich mich bedanken, die mir in vielfacher Weise halfen. Vor allem aber danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Konrad Küster, der mir viele wertvolle Hinweise gegeben hat, indem er mehrere Male diese Arbeit

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Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe Sämtlicher Werke (NBA): a. "Die Klavierbüchlein für Anna Magdalena Bach, (1722 und 1725)". Band 4, Hrsg. u. Kritischer Bericht von Georg von Dadelsen. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-London. 1957. b. "Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach (1720)". Band 5, Hrsg. u. Kritischer Bericht von Wolfgang Plath und Hermann Keller. Bärenreiter -Verlag. Kassel-Basel-Paris-London-New York. 1963. c."Inventionen und Sinfonien (1723)".Band 3 (Serie V:Klavier- und Lautwerke), Hrsg vom J.S.BachInstitut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig und Kritischer Bericht von Georg von Dadelsen. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-Tours-London. 1970. d."Die Sechs Französischen Suiten, (BWV 812-817)". Band 8, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter- Verlag .Kassel-Basel-London. 1982. e."Die Sechs Englischen Suiten, (BWV 806-811). Band 7, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-London. 1981. f."Partiten, (BWV 825-830). Band 1 Serie V. Kritischer Bericht von Richard Douglas Jones. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-Tours-London. 1978. g."Das Wohltemperierte Klavier I u. II. (1722; 1744)". Bände 6.1. u. 6.2, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-London-New York. 1989.

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durchgelesen hat, wodurch noch manche Irrtümer rechtzeitig aufgeklärt und wertvolle Ratschläge erteilt werden konnten. Aufrichtiger Dank gebührt schließlich der Universidad Nacional Autónoma de México, U.N.A.M., die durch ein Stipendium 3 Jahre maßgeblich mein Studium an der "Albert-LudwigsUniversität" Freiburg im Breisgau finanziell unterstützt hat. Auch der Sozial-Dienst-Abteilung der "Katholischen Hochschulgemeinde", KGH-Freiburg, ihrer Leiterin Barbara Bischofberger danke ich, die mich letztes Jahres wegen der schweren Wirtschaftskrise Mexikos finanziell unterstützt hat. Ebenfalls möchte ich auch ganz besonders dem lebenslangen Freund meines Vaters, Dr. Jaime P. Constantiner, ehemaliger Generaldirektor der Bank BCH-Mexiko für seine Freundschaft und finanzielle Stütze am Ende dieses Studiums meinen Dank ausdrücken. I. GESCHICHTLICHER ABRISS DER BACHANSCHAUUNG. Zahlreiche Schriften,1 die ein Weiterleben Bachs dokumentieren, stehen im Gegensatz zur verbreiteten Meinung,2 die Rezeption Bachscher Werke beginne erst im Jahre 1829 mit der legendären Wiederaufführung der Matthäus-Passion durch die Berliner Singakademie. Obwohl Bachs Werk mit dem Aufkommen des »Empfindsamen Stils«

den musikalischen

Anforderungen auf natürliches, unmittelbares Empfinden nicht mehr entspricht, schwindet es nicht aus dem Blickfeld professioneller Musikerkreise. Der Topos »Vater der Harmonie«3 sowie Bachs für den Tastenunterricht relevante Kompositionen sichern ihm einen beständigen Platz im Kreis praktizierender Musiker. Seine kontrapunktischen Studien bleiben vorbildhaft für nachfolgende Komponistengenerationen, adelige Salons in Wien und Berlin pflegen

1

Kirnberger J.P.: "Kunst des reinen Satzes", 1776-1796. (Johann Philipp Kirnberger: "Clavieruebungen mit der Bachischen Applicatur, in einer Folge von den leichtesten bis zu den schwersten Stuecken", Bd. 1-4. Berlin 1776). Telemann, Georg Philipp (1751) in: "Bach-Dokumente", Hrsg. vom Bach-Archiv Leipzig, Bd.3 Kassel (u.a.), Bärenreiter, 1972.S.6f. Marpurg, Friedrich Wilhelm (1752) in: Ebda., S.14-16. Bach, C.P.E. und Agricola, J.F. (1754) in: Ebda., S.81-85 und 87f. Reichardt, J.F. (1782) in: Ebda., S.357-359. Rochlitz, F. (1789) in: Ebda., S.558. Forkel, J.N. (1802) "Über Johann Sebastian Bach", Leipzig. Rochlitz, F.: "Brief an einen Freund" in: »Allgemeine Musikalische Zeitung«, (1802/03). Auch "Friedrich Rochlitz: Wege zu Bach. Drei Abhandlungen." Hrsg. von Müller-Blattau, Joseph, Augsburg, Bärenreiter, 1926.S.9-18. Hoffmann, E.T.A. (1810): "Kreisleriana." Hrsg. von Hanne Castein, Stuttagrt, Reclam 1983. S.5-14, 39 und 40. u.a. 2Devrient Eduard: "Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Briefe an mich". 2.Aufl. Leipzig, Weber 1872, S.48 bis 67. Zelter, Carl Friedrich: "Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter." Hrsg. von Max Hekker, Frankfurt a.M., Insel Verlag 1986, Bd.3.S.151f. Fahlbusch, Lothar (Hrsg.): "Eduard Hanslick: Musikkritiken (Die »Matthäus-Passion« von S.Bach)". Leipzig Reclam, 1972.S 74-81. Kleßmann, Eckart (Hrsg.): "Über Bach / Von Musikern, Dichtern und Liebhabern", Stuttgart, Reclam, 1992, S.9f. u.a. 3 Zitiert nach Ludwig van Beethoven, in: "Über Bach / Von Musikern, Dichtern ..." Eckart Kleßmann (Hrsg.), Reclam-Stuttgart, 1992.S.7.

7

kontinuierlich seine Werke4. Er wird für Johann Francisci, Mathias Ferdinand Gauster und Gottlieb Muffat zum Vorbild, Wagenseil integriert Bachs Fugen und Präludien ebenso in seinen Unterricht wie Albrechtsberger.5 1758 - 1783 vermittelt Kirnberger in Berlin Prinzessin Amalie von Preußen den strengen Satz mit Hilfe Bachscher Werke. Bachs Tasten- und Ensemblemusik unterliegt zwar kritischer Betrachtung, dient aber einerseits (insbesondere seine Fugen) der satztechnischen Unterweisung, andererseits werden Inventionen, Präludien, Fugen und Suiten zur "Kräftigung der Finger" und zum "Erlernen des gebundenen Spiels" in den Klavierunterricht aufgenommen6. Solchermaßen wird Bach vor allem zu didaktischen Zwecken tradiert. Versuchen Theoretiker Bach einzuordnen, wird er aus zeitkritischer Distanz beurteilt. Unter dem Aspekt der "reinen" Musik7. Da Bach das Poetische im Werke fehle, könne seine Musik zwar als rhetorische verstanden werden, als eine Musik der prunkenden Virtuosität der Figuren - jedoch ohne genügend Sach-und Wahrheitsgehalt.8 Hierin seien ihm Händel und seine Nachfolger überlegen. Triest spiegelt, ebenso wie Forkel, die aufkeimende patriotisch-nationale Gesinnung wider, die ein tragendes Element der Bach-Tradition wird. Bachs Werke werden zu einem "unschätzbaren Nationalgut " stilisiert, dem kein anderes Volk etwas ähnliches entgegensetzen kann.9 Hans Georg Nägeli urteilt in seiner "Vorlesung über Musik" aus dem Jahre 1826: Vom freien Formspiel10 als höchstem Begriff des Musikalischen ausgehend, stellt er Bach als Repräsentanten der "reinen Instrumentalmusik" dar - auch gleichzeitig als Beginn einer Individualgeschichte, vor allem in Bezug auf das "Wohltemperierte Klavier".11 "So wie wir in Johann Sebastian Bach den persönlichen Begründer und daher auch geschichtlich ersten Repräsentanten

der

höheren,

in

bestimmten

Kunstformen

ausgeprägten,

reinen

Instrumentalmusik finden, so wird hier die Kunstgeschichte zur Individualgeschichte."12 Durch die Betonung des Individuellen hebt Nägeli Bach aus dem Typischen und Regulären hin zum Einmaligen und Besonderen.13 4

Adelige Zirkel um van Swieten, Graf von Lichnowsky u.a. verleihen Bach den Status des Elitären und setzen sich durch ihre Bachpflege von anderen zeitgenössischen Musikliebhabern ab. Sie beeinflussen als Mäzene Komponisten wie Haydn, Mozart und Beethoven. 5 Otto Biba, " Bach - Pflege in Wien von Gottlieb Muffat bis Johann Georg Albrechtsberger", in:»Mundus Organorum«, Berlin, 1978, S.21-34. 6 Lebert-Stark, "Große theoretisch-praktische Klavierschule", Stuttgart, 1858. 7 Triest: Bemerkungen über die Ausbildung der Tonkunst in Deutschland im 18. Jahrhunderte, in: AMZ 1800, S.225. 8 Ebda., S.409. 9 Forkel, J.N.: "Über Johann Sebastian Bach", Leipzig 1802, S. 8. 10 Frei ist gleichbedeutend mit frei von jedem außermusikalischen Inhalt und von stoffreich Materiellem. 11 Nägeli, Hans Georg: "Geschichte der Instrumentalmusik", in: "Vorlesungen über Musik" (1826), Hildesheim 1980, S. 118. 12 Ebda.: "Vorlesungen über Musik", 1826, S. 116. 13 Sponheuer, Bernd: "Licht..., die Zukunft erhellend." Überlegungen zum Bach-Bild Hans Georg Nägelis, in: "Alte Musik als ästhetische Gegenwart". Kongreßbericht Stuttgart 1985, Bd. 1, hrsg. von Berke-Hanemann, Kassel 1987, S.147.

8

Den Bereich der Praktiker kennzeichnet bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine einseitige Werkkenntnis. Durch die zumeist didaktische Nutzung der Instrumentalwerke werden Kompositionen wie die "Französischen" Suiten, "Inventionen", das "Wohltemperierte Klavier" u. a. fester Bestandteil des Repertoires ausübender Musiker. Die Aufführung der MatthäusPassion leitet eine beginnende Bach-Renaissance im öffentlichen Leben ein. Sie ist ein Teil der Autonomisierung der Bachschen Werke, in der Bachs Vokalmusik langsam von der Gebrauchsmusik losgelöst wird und als eigenständige Musik dem Konzertbesucher zugeführt wird. Betonen Triest, Rochlitz und Nägeli in Bachs Kompositionen die rationale Komponente, so entdeckt Robert Schumann Bach als Vermittler seltener Seelenzustände. "Wenn Robert Schumann nach Werken suchte, die Sprache und Zeichen für seltene Seelenzustände besitzen, so konnte er sie von seiner Auffassung der alten Musik her vor allem im Wohltemperierten Klavier finden."14 Das handwerkliche Vorbild Bachs wird vom mehr poetisch-träumerischen abgelöst, das stimmungsbezogene Auftreten polyphoner Mittel überwiegt den konstruktiven Gebrauch. 15 Bachs Fugen werden zu Charakterstücken umfunktioniert, die Schumann im Stil der romantischen Klavierstücke "mit allen Nuancen und Schattierungen, die diese poetische Kunst auszeichen"16, gespielt wissen will. Dem "rationalen" Bach wendet sich Schumann erst gegen Ende seines Schaffens zu, in dem Versuch, die Substanz seiner Musik zu vertiefen. In dieser Schaffensperiode entstehen die "sechs Fugen über

B-A-C-H" Op. 60 und die vier Fugen Op.

72. Dieser Motivation folgen auch u. a. Johannes Brahms und Franz Liszt, denn Bachs Kompositionen stehen für Gefühlskraft und musikalische Emotion.17 Die Gründung der Bachgesellschaft im Jahre 1850 in Leipzig leitet eine verstärkt historischwissenschaftliche und ästhetische Auseinandersetzung mit Bachs Leben und Werk ein. Angestrebt wird eine "vollständige kritische Ausgabe aller Werke Bachs". Das 19. Jahrhundert läßt Bach als Helden erstehen, der unter widrigen Umständen vergessen wurde. Patriotismus und Wiederentdeckung für liturgische Zwecke forcieren die Leitbildfunktion Bachs. Entscheidend für die Bach-Rezeption ist jedoch weniger "die kirchenmusikalische Motivation als die Verknüpfung der romantischen Metaphysik der absoluten Musik mit der patriotischen Idee einer Epoche der deutschen Musik."18 Um die Jahrhundertwende vollzieht sich eine stärkere Hinwendung zu Bachs Oeuvre, in deren Folge Bachs Werk ein wichtiger Bestandteil der Musikerziehung wird.

14

Dadelsen, Georg von: Robert Schumann und die Musik Bachs", in: AfMw XIV, 1957, S. 49. Ebda. 16 Kreisig, Martin:"Gesammelte Schriften über Musik und Musiker von Robert Schumann", Bd. 2, Leipzig 1914. 17 Gerber, Rudolf: Johannes Brahms, in: MGG II, Spalte 206 (MGG: "Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Kassel [u.a.].1950). 18 Dahlhaus, Carl: "Zur Entstehung der romantischen Bach-Deutung", Bjb 1978, S.193. 15

9

Hat es schon im 19. Jahrhundert Kontroversen um die Adaption und Bearbeitung Bachscher Werke zwischen Spitta, Chrysander u.a. gegeben,19 so wird im 20. Jahrhundert das Pro und Contra einer historisch getreuen Wiedergabe zentraler Punkt vieler Fragestellungen. Die Bachgesellschaft setzt sich für eine Verwendung von Originalinstrumenten bzw. deren Kopien ein, um neben spieltechnischen Belangen auch das Klangideal der Zeit zu rekonstruieren. Indem der Interpret eine Darstellung der Komposition als eigenständiges Produkt der Epoche 'Barock' verfolgt, distanziert er sich weitgehend von persönlichen Gefühlsmomenten und vom Klangideal des 19. Jahrhunderts. "Es gilt vielmehr die gleiche musikalische Aussagekraft, welche Bachs Musik für den Zeitgenossen damals hatte, auch für den Hörer unserer Zeit zu erreichen."20 Neben diesem "objektiven" Musizieren gehen Musiker und Komponisten - so auch Max Reger und Ferruccio Busoni - weiterhin ihrem Bedürfnis nach, Bach der eigenen "romantischen" Persönlichkeit entsprechend zu erleben, und unterwerfen Bach dementsprechend ihrem Interesse. Somit muß ihr Ziel eine Angleichung der Werke Bachs an die Klangästhetik ihrer Zeit sein. Ferruccio Busoni und Max Reger bezwecken als Bearbeiter Bachscher Werke einerseits die Edition einer praktischen Ausgabe, anderseits ermöglichen sie durch Transkriptionen eine Erweiterung des Spielrepertoires.21 Ihre freien "Nachdichtungen" entspringen der Verehrung der Bachschen Satzkunst.22 Die Beschäftigung mit der Musik vergangener Epochen hat den musikalischen Stil der letzten zweihundert Jahre geformt, wobei Bachs Name fest mit der Vergegenwärtigung der alten Musik verknüpft ist. Gerade die Auseinandersetzung mit dem Werk Bachs - gleichviel, ob unter dem Aspekt der Funktionalität oder der ästhetischer Autonomie - hat nachhaltig auf das musikalische Geschehen gewirkt. Eine Musikgeschichte ohne Bachs Werk wäre unvorstellbar, denn seine Musik hat in fast jeden musikalischen Bereich Aufnahme gefunden.

19

VfMw (Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft), V, 1889. Auch in: Adler, G.: "Friedrich Chrysander", ZfMw, VIII, 1925. 20 Holscheider, Andreas: "Bach-Rezeption und Bach-Interpretation im 20. Jahrhundert" in: Musica XXX, 1976, S. 18. 21 Ebda., S. 11. 22 Max Reger: "Fantasie und Fuge über B-A-C-H Op. 46". Ferrucio Busoni: "Fantasia Contrapuntistica, Improvisation über Bachs Chorallied".

10

2. ZUR REZEPTION BACHS IN KLAVIERSCHULEN 2.1. BESTANDSAUFNAHME. Grundlage dieser Studie bilden die Bestände von Klavierschulen der Musiksammlung der Stadtbibliothek

Leipzig,

Musikwissenschaftlichen

sowie Seminars

der der

Stadtbibliothek

München/Gasteig,

Albert-Ludwigs-Universität

Freiburg

und

des der

Musiksammlung der Musikhochschulbibliothek Freiburg. Um einen Überblick zu den in der vorliegenden Arbeit benutzten Werken zu geben, werden diese hier mit Hilfe einer Tabelle erfaßt:

Name:

Jahr:

Werk:

Adam, Louis

1804-05

Clementi, Muzio

1815

BWV: 846, 873. BWV:817

Starke, Friedrich

1819

BWV:848, 856, 860

Hummel, Johann Nepomuk

1827

BWV:849.

Fétis, F.J. & Moscheles,I

1841

BWV: 851.

Czerny, Carl

1846

BWV: 854, 866, 873 884.

Fischhof, Joseph

1848

BWV:826, (Allemande); BWV: 810,

(Polonaise und Menuett).

(Sarabande, Passepied I-II)

Lebert-Stark

1858

Busoni, Ferruccio

1894

BWV: 542, (Bearbeitung von Liszt)

BWV: 846, 848, 870, 873.

(Anmerkung: Eine genaue Aufschlüsselung der Klavierschulen und der dazugehörenden Bachliteratur soll in der Auflistung und im Literaturverzeichnis erfolgen!).

Die Klavierschulen des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts präsentieren den Schülern Sätze der "Französischen Suiten", und "Englischen Suiten" Teile des "Wohltemperierten Klaviers", Choralvorspiele. Bach bleibt fortgeschrittenen Schülern vorbehalten, seine Werke finden sich meistens in den letzten Abschnitten der Klavierschulen. 1830 heißt es in einer Rezension zu den "Grandes Suites, dites Suites angloises, pour le clavecin composées par Johann Sebastian Bach" - "Blosse Mode-Clavierspieler kaufen sie nicht, und die übrigen wissen schon, was sie davon haben"1. Bachs Werke sprechen eine besondere Schicht von Klavierlernenden an: zum einen kontrapunktisch Interessierte, zum anderen Schüler gehobenen Könnens, die nicht nur moderne Salonmusik zu ihrem Repertoire zählen. Sowohl die "kleinen Uebungen" als auch die Inventionen sind bekannt. "Vorzüglich glaube ich aber die kurzen Handstücke empfehlen zu dürfen, die unter dem Titel Sinfonien (es sind deren

1in:

"Allgemeine Musikalische Zeitung", 1798-1848. Leipzig (=AmZ 1830, S.724).

11

15.)

herausgekommen

sind"2.

Friedrich

Rochlitz

empfiehlt

sie

als

Vorübung

zum

"Wohltemperierten Klavier". Dennoch werden die Inventionen nicht in die Klavierliteratur der Schulen aufgenommen. Lebert-Stark bereichern zwar ihre Schule mit Vorübungen zu den zweistimmigen Inventionen, sie nehmen diese jedoch nicht in ihr Repertoire auf, sondern stellen zu Ehren Bachs und Liszts die lisztsche Bearbeitung der Fantasie und Fuge g-Moll für Orgel BWV 542 an den Schluß der Schule3. Hiermit reiht sich Bachs Werk als virtuose Klaviermusik in das Schulwerk ein. Technisch und musikalisch ausgearbeit, stellt es höchste Anspruche an den Musizierenden. Ähnlich wie im 18. Jahrhundert wurden musikalisch-technische Übungen auch im 19. Jahrhundert dazu verwendet, Grundfertigkeiten des musikalischen Ausdrucks, der Dynamik und der Akzentuation sowie verschiedene Anschlagsarten zu erleben bzw. einzuüben. Bereits bei den ersten Anfängerübungen im Fünftonraum legen Pleyel und Dussek in ihrer Schule aus dem Jahre 1797 Wert auf diese Tatsache4. Ebenso rät C. Czerny anhand von Übungen musikalische Ausdruckmittel zu erlernen, allerdings erst, nachdem der flüssige, mechanische Ablauf einer Tonfolge sichergestellt ist: "Nach Erlangung einer bedeutenden Geschwindigkeit sind diese Uebungen auch in Hinsicht auf die Grundregeln des V o r t r a g s zu üben, indem man sie bald f o r t e, bald p i a n o, bald streng l e g a t o, bald mit leicht abrupfendem Anschlag (sciolto), bald aufwärts crescendo und abwärts diminuendo, bisweilen auch langsam, mit schwerem gewichtigem Anschlag, und bisweilen auch mit möglichster Leichtigkeit, Prestissimo vorzutragen lernen muß. Dieses fällt ungefähr in das zweite Jahr des Unterrichts"5. Übungen wurden grundsätzlich immer im Takt gespielt6. Die Einübung musikalischer Basisfertigkeiten anhand mechanischer Übungen war nicht nur auf den Anfangsunterricht beschränkt.

Auch

fortgeschrittene

Klavierspieler

und

sogar

die

großen

Virtuosen

vervollkommneten ein Leben lang ihre musikalischen Grundfertigkeiten mit Hilfe des Spiels von Passagen7. 2

Rochlitz, Friedrich: "Über den Geschmack an Sebastian Bach`s Kompositionen, besonders für das Klavier", in: AmZ 1803, S.519. 3 Lebert-Stark: "Große theoretisch-praktische Klavierschule", 4 Teile, Stuttgart 1858. 4 Pleyel, I. & Dussek, J.L.: "Méthode pour la Piano Forte". Paris, 1797. 5 Czerny, C.: "Vollständig theoretisch-practische Pianoforte-Schule von dem ersten Anfange bis zur höchsten Ausbildung fortschreitend, und mit allen nöthigen, zu diesem Zwecke eigens componierten zahlreichen Beyspielen" Op. 500, 4 Teile. 1839. (Teil I, S. 55-56). 6 Siehe: a. Müller, A.E.: "Fortepiano-Schule, oder Anweisung zur richtigen und geschmackvollen Spielart dieses Instruments nebst praktischen Beyspielen und einem Anhang vom Generalbaß". Leipzig,1804 (S.37). b. Knorr, J.: "Das Clavierspiel in 280 technischen Studien mit Fingersatz oder Materialien zur Entwicklung der Fingertechnik als Beihülfe für das Selbstudium". Leipzig, ca. 1841 (S.11). c. Kontzki, A.: "L'Indispensable du Pianiste Exercices quotidiens" Op. 100. Leipzig, d.1851. 7 Aus den Berichten von A. Boissier über den Unterricht,("Franz Liszt als Lehrer. Tagebuchblätter von Auguste Boissier". Berlin, 1832/1930, deutsch hrsg. von D. Thode - v. Bülow.) den der zwanzigjährige Liszt ihrer Tochter Valerie gab, weist es ziemlich genau, wie Franz Liszt in jungen Jahren geübt hat: "Während sie diese Übungen (Tonleitern in Oktaven) ausführt, solle sie die Schattierungen studieren und sich darin versenken; bald wohlgeformte Crescendi, Contraste dann schlißlich glanzvolle Fortissimi herausbringen. Er will nicht, daß man mechanisch übe, sondern daß die Seele immer nach Ausdruck suche und daß alle diese Schattierungen, die die wahre Palette des Musikers ausmachen,

12

Man sieht hier, daß eine andere Entwicklung sich schon im späten 19. Jahrhundert anbahnt und

eine

neue

Art

der

Rezeption

auslöst.

Um

Bach einem

größeren Publikum

bekanntzumachen, werden die Kleine Präludien, bis zur höchsten Meisterschaft in bearbeiteter Form ohne die Polyphonie zu berücksichtigen. Das Motiv der Autoren und Herausgeber ist nun Adaption der Werke. 1910 erscheint eine Kompilation Bachscher Klavierwerke als vierbändige "Schule des polyphonen Spiels"8, bei deren Gestaltung auf das "Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach", "Französische Suiten", "Kleine Präludien" und Inventionen zurückgegriffen wird. Der Komplex des "Wohltemperierten Klaviers" wird nicht mit einbezogen. Der Bestand an Suiten, den man kennt, vergrößert sich: hat das 19. Jahrhundert vereinzelt Sätze aus der Englischen Suite Nr. 5, Französischen Suite Nr. 4 und Nr. 6 und der Partita cMoll geboten, so kommen Sätze der Suiten BWV 822, 823, 824, 990, 996 hinzu: Schulen wie die Noatzschs9, Breithaupts10, Halms11 und Jiraneks12 versuchen sich nicht nur auf eine Gattung zu beschränken, sondern bieten einen Querschnitt durch Bachs Klavier-Oeuvre. In der Folge werden weitere Kompilationen herausgegeben13. Trotz des Umfangs des Repertoires an Bachstücken werden gewisse Stücke bevorzugt: z. B. die Menuette BWV Anhang 114-116, BWV Anhang 120, BWV Anhang 125, BWV Anhang 132, BWV 779, die Musette aus BWV 808, die Gavotte aus BWV 811, die Polonaise und das Menuett aus BWV 817, die Präludien BWV 846, 848 und gewisse kleine Präludien. Zwar erscheinen immer wieder Chorale, Arien, Lieder, aber es kann keine Kontinuität in der Rezeption bestimmter Vokalwerke festgestellt werden, dasselbe gilt für die dem Orgelwerk entliehenen Choralbearbeitungen.

vollendet und gewohnheitsmäßig der Hand zu eigen seien und er in dem Augenblick keine Mühe verwenden müsse, wo er ihrer bedarf" (S.25). In die gleiche Richtung weist eine Passage weist eine andere Passage aus diesem Buch: "Valerie mußte verschiedene Fingerübungen machen und er empfahl ihr, ein unablässiges Studium der Schattierungen. Hat man sich regelmäßig an ein solches gewöhnt, so fallen sie selbst beim Blattlesen ganz leicht. Üben sie so": pp pp < < < f > > > pp (Boissier 1832/1930, S. 95) Liszts Lehrer Czerny hat einige Jahre später diese Übetechnik systematisiert. 8 Frey, Martin: "Schule des polyphonen Spiels", 4 Bde., Leipzig 1910. 9 Noatzsch, Richard: "Praktische Formenlehre der Klaviermusik", Leipzig 1908. 10 Breithaupt, R.M.: "Die natürliche Klaviertechnik". Leipzig 1906. 11 Halm, August: "Klavierübung, Bd.I". Stuttgart 1918/19. 12 Jiranek, Joseph: "Neue Schule der Technik und des musikalischen Vortrages", Wien 1910. 13 Kurt, Herrmann: "Der erste Bach". Leipzig 1924, neue Folge 1929. Woehl, Waldemar: "Das Bach-Buch", Wolfenbüttel, 1925.

13

II 2.2. ZUR GESCHICHTE DER FRÜHDRUCKE UND FRÜHEN KLAVIERSCHULEN: Nach Bachs Tod wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keines seiner Werke, also auch kein Klavierwerk, neugedruckt;1 wenn solche Werke in den Verlagkatalogen von Breitkopf aufgeführt sind, so handelt es sich um verkäufliche Abschriften2. Erst im Jahr 1800 erscheint das Wohltemperierte Klavier und zwar in drei Verlagen (Hoffmeister und Kühnel, Nägeli, Simrock) fast gleichzeitig. J. S. Bach hat selbst eine Reinschrift des WK I angefertigt, die uns als das "Volkmannsche Autograph"3 erhalten geblieben ist und vermutlich sein für den Unterricht bestimmtes Handexemplar darstellt. Dafür spricht die große Zahl der Korrekturen4, die auch von einigen Schülern übernommen worden sind. Veröffentlicht wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lediglich einige Sätze aus dem Wohltemperierten Klavier, und zwar BWV 869b in Kirnbergers "Die wahren Grundsätze zum Gebrauch der Harmonie ... als ein Zusatz zu der Kunst des reinen Satzes in der Musik"5, ferner BWV 846 von F.C.A. Kollmann in "An Essay on Practical Musical Composition"6 und schließlich BWV 851a von William Shield in "Introduction to Harmony"7 Die Verleger Hoffmeister und Kühnel, Wien und Leipzig, aus denen später das »Bureau de musique« von C. F. Peters hervorging, kündigten eine Gesamtausgabe der Klavierwerke (oevres complêtes) an, die 1801-1806 erschien. Erst 1850 aber konnte von der BachGesellschaft die große kritische Gesamtausgabe aller Werke Bachs in Angriff genommen werden, die in 46 Jahrgängen (bis 1895) als Monumentalausgabe dem Genius Bachs das Denkmal setzte, das schon Forkel gefordert hatte.8 Bis 1950 galt die »große« Bach-Ausgabe (BG) als Grundlage der Bach-Forschung, seitdem erscheint die Neue Bach-Ausgabe. Die Klavierwerke sind in folgenden Jahrgängen enthalten: 1

Keller, Hermann: "Die Klavierwerke Bachs", Edition Peters, Leipzig 1940. S.10f. Brief von Dr. Alfred Dürr an Dr. Magali Philippsborn in dem er sagt: "daß Breitkopf in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts einen offenbar schwunghaften Handel mit handschriftlichen Kopien geführt hat. Breitkopf muß also Abschriften einer großen Zahl Bachscher und anderer Werke besessen haben, und es ist sehr wohl denkbar, daß Breitkopf an Nägeli entweder eine verlagseigene Abschrift oder deren Kopie verkauft hat, da er offenbar im Augenblick nicht selbst an eine Publikation dachte. Der Rest dieser Breitkopfchen Handschriften wurde wohl 1836 verkauft; einen Teil davon erwarb Fétis*." Philippsborn, Magali: "Eine kritisch vergleichende Untersuchung anhand des Wohltemperierten Klaviers I". Dissertation, Berlin 1975. * Fétis, F.J. & Moscheles, I.: "Méthode des Méthodes. Die vollständigste Schule oder die Kunst des Pianofortespiels". Berlin 1837. 3 Mus. ms. Bach P 415. 4 Das Wohltemperiete Klavier, Faksimile-Ausgabe, und NBA (Neue Bach-Ausgabe: J. S. Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Herausgegeben vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, 1954, Zur Edition,S VI. 5 1733, Berlin und Königsberg -siehe Anmerkungen-.Kirnberger, J.P.: "Clavieruebungen mit der Bachischen Applicatur, in einer Folge von den leichtesten bis zu den schwersten Stuecken", Bd. 1 - 4 Berlin, 1766. 6 London 1799. 7 London 1800. 8 Forkel, Johann Nikolaus: "Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke." Leipzig: Hoffmeister und Kühnel, 1802. Neudr. Berlin: Henschelverlag, 1982. 2

14

III:

Inventionen, Klavierübung I.-4. Teil, Toccaten c- und fis-Moll, Fuge a-Moll.

XIII:

Englische und Französische Suiten (eine berichtigte Ausgabe erschien im Jahrgang XLV).

XIV:

Wohltemperiertes Klavier, beide Teile (redigiert von Franz Kroll)9.

XXXVI und XLII und XLV: die übrigen Klavierwerken und Nachlese (redigiert von Ernst Naumann).

Das Wohltemperierte Klavier hatte Franz Kroll im wesentlichen gleichlautend mit der BG, aber ohne Revisionsbericht, schon 1862 bei Peters im Urtext herausgegeben. Eine weitere wertvolle Ergänzung der »großen« Bach-Ausgabe bilden einige in den letzten Jahren im Verlag Peters erschienene, sorgfältig redigierte Urtextausgaben: die Inventionen (Landshoff, mit einem ausführlichen,

über

100

Seiten umfassenden Revisionsbericht),

die vier

Teile der

»Klavierübung« (Kurt Soldan)10. In den Fällen, in denen neuere Urtextausgaben (NBA) vorliegen, sind diese (nicht BG) für Fragen der Textkritik maßgebend. Neben diesen vorwiegend für den wissenschaftlichen Gebrauch bestimmten Ausgaben erschienen im 19. Jahrhundert in steigender Zahl praktische, d.h. besonders für den Amateur bestimmte, bezeichnete Ausgaben. Im folgenden werden einige dieser Ausgaben erwähnt. Eine Gesamtausgabe der Klavierwerke wurde vom Verlag Peters ab dem Jahr 1837 herausgegeben; wissenschaftliche Leiter waren Friedr. Konrad Griepenkerl (der später die Orgelwerke in der bekannten, heute noch gültigen Ausgabe redigierte) und F. August Roitzsch; ihnen stand manche wichtige Quelle noch zur Verfügung, die den späteren Herausgebern der großen Bach-Ausgabe nicht mehr zugänglich war. Praktischer Herausgeber aber war der berühmteste Klavierpädagoge seiner Zeit, Carl Czerny, dessen Namen und Gewicht diese Ausgabe vor allem ihren bestimmenden Einfluß auf das Bach-Spiel des 19. Jahrhunderts zu »danken« hatte. Czerny war ganz Kind seiner Zeit;11 er hatte, wie er selbst im Vorwort zum Wohltemperierten Klavier schrieb, eine Reihe der Präludien und Fugen von seinem Lehrer Beethoven spielen gehört. Was Czerny interpretierte, war daher ein Bach, gesehen durch das Temperament Beethovens: mit Beethovenschen cresc. und dim., mit groß angelegten Steigerungen, mit Tempobezeichnungen, die wohl dem Stil der Wiener Klassiker und besonders Czernys eigener Fingerfertigkeit, aber gewiß nicht dem Stil Bachs entsprachen, -kurz, es war ein im Ausdruck modernisierter Bach, der über ein 9Franz

Kroll (BG XIV, 1864) bezeichnet außer dem uns bekannten einzigen Autograph P 415 noch die Handschriften P 202 (aus dem Besutz Griepenkerls) und P401 (das "Fischhofsche Autograph" aus dem Besitz des Bach-Sammlers Franz Hauser in München) als autograph. Auch Hans Bischof zweifelt nicht an ihrer Echtheit. Als weiteres autographes Dokument führt er (wie Spitta I, S. 387) das "Zürcher Autograph" an, das aber ebensowenig echt ist wie die genannten Abschriften P 202 und 401 der Berliner Staatsbibliothek. Nägeli soll das Zürcher Autograph seiner Ausgabe zugrundgelegt haben; doch hat er es erst 1802, also nach Erscheinen seiner Ausgabe, erworben (Refardt, Briefe ..., S. 389). Angeblich hat Nägeli das Zürcher Autograph durch Vermittlung des Professors J.K. Horner in Hamburg von der damals dort lebenden Tochter Philipp Emanuel Bachs erhalten. Nach Nägelis Tod kaufte es im Jahre 1854 Herr Ott-Usteri in Zürich. Letzter privater Besitzer war Karl von Vietinghoff, Berlin; jetzt befindet sich die Handschrift im Gemeente Museum, Den Haag. Alfred Kreutz (Peters, Neue UrtextAusgabe, 1960) stützt sich ganz auf P 415, hebt aber hervor, daß verflaßte oder verwischte Stellen von fremder Hand nachgezogen worden seien, da das Autograph während einer Überschwemmung der Donau Wasserschäden erlitten hatte. 10und das »Musikalische Opfer« (Landshoff). 11 S. Fußnote Nr. 13.

15

halbes Jahrhundert lang die Konservatorien und Konzertsäle wie die Hausmusik beherrschte. Die meisten Ausgaben der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren bloße Kopien oder Variationen der Czernyschen Ausgabe. Von den Drucken aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts hat Carl Czerny seinen Drucken ausgearbeitete Berichte voran gestellt, die er ab 1837 edierte, und zwar für die Firma C. F. Peters in Leipzig. Czernys erster Band ist in einer anonymen Rezension in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 9.Mai 1838 ausführlich besprochen, es heißt, daß "Hr. Karl Czerny, dem das Werk zur Revision und Vergleichung theils aller früheren Ausgaben untereinander, theils mit den wichtigsten älteren Handschriften, ferner zur Angabe des Fingersatzes und zur Bestimmung des Zeitmaasses anvertraut worden ist, seine gar nicht leichten Aufgaben mit großem Fleiss und liebender Sorgfalt als ein Mann von Erfahrung und Kenntnissen rühmlich und zum reichen Gewinn für die neue Ausgabe gelöst (hat). Durch die Vergleichung aller Druckausgaben und mehrerer Handschriften konnte einzig und allein die so wünschenwerte Korrektheit und Vollständigkeit erreicht werden, die nun den neuen Druck vor allen früheren ausgezeichnet."12 Czerny nahm seine Aufgabe sehr ernst: "Die beiden Rücksichten, die hier beachtet worden sind: 1. Die Hände auch in den verwickelsten Fällen möglichst ruhig zu halten. 2. Jede Stimme von der anderen unabhängig, streng gebunden und folgerichtig ausführen zu können," ferner das oben zitierte "Zeitmass" hat er, in wohlbewahrter Erinnerung an Beethovens Vortrag einer großen Anzahl dieser Fugen, endlich nach der "Überzeugung ... welche sich Czerny durch mehr als 30jähriges Studiums dieses Werkes erwarb" durch Phrasierungen, Artikulation, Dynamik, Ornamentation und Fingersätze dem Werk beigefügt.13 Die deutsche Ausgabe 1837 ist die erste, die britische, mit einem Vorwort von 1838, "translated from the German Edition" soll - wie aus der bereits zitierten AMZ hervorgeht - zu dieser Zeit erst noch gedruckt werden: "Die Engländer haben bekanntlich eine andere Fingerbezeichnung eingeführt. Deshalb wird in London nach genommener Übereinkunft mit der deutschen Verlagshandlung eine besondere, ganz nach dieser gestochene, nur in der Zahlenangabe für die Finger verschiedene Auflage nächstens erscheinen, wozu Hr. Czerny eine ausführliche, sehr zweckmäßige Vorrede schrieb."14 Der Daumen, um den es im britischen Fingersatz geht, wird mit dem Zeichen "+" versehen, wie man in Clementis Beschreibungen sehen kann.15 Im Gegensatz zu Czernys Sichtweise erstarkte aber immer mehr eine Gegenbewegung, die versuchte, Bachs Musik aus ihrer eigenen Gesetzlichkeit heraus zu verstehen und an Stelle eines modernisierten den geschichtlichen Bach zu setzen.

12Allgemeine

Musikalische Zeitung 1798-1848, Leipzig. ( = AmZ). in dieser Ausgabe auftretenden Oktavverdoppelungen, z.B. in BWV 847b, T. 25-29, BWV 850b, T.25-26, BWV 860, T. 83 sind als willkürliche Änderungen Czernys, die nur in seinen Drucken auftreten, in keiner Weise zu rechtfertigen, waren aber ein Zeichen der Zeit. 14Die Vorworte erscheinen in der gedruckten Fassung im Anhang. 15 Clementi's vollständige Klavierschule, Wien, 1815, S. 15. 13Die

16

Einen Markstein in dieser Entwicklung bedeutete die Ausgabe sämtlicher Klavierwerke durch Hans Bischoff 1881 im Steingräber-Verlag. Nicht nur war Bischoff der erste und einzige Herausgeber, der eigene Quellenforschung betrieben hatte, deren Ergebnisse er dem Spieler in bequemen Fußnoten zugänglich machte, sondern er gab auch so sparsame Anweisungen zum Vortrag, daß der Spieler gezwungen war, selbst nachzudenken; was der Zeit Bachs selbstverständlich gewesen war, das mußte das 19. Jahrhundert sich erst langsam wieder erringen. Nur die Tempi Bischoffs sind vielfach noch sehr auf Geläufigkeit eingestellt. Von den anderen Ausgaben genügt es hier im Moment zwei zu nennen: Aug. Schmid-Lindner und Ferruccio Busoni. Im Verlag von Schotts Söhne gaben Max Reger und August Schmid-Lindner eine genau bezeichnete Ausgabe der wichtigsten Klavierwerke Bachs heraus,16 die dem Spieler weniger Freiheit läßt als Bischoff, aber in ihrer Flächendynamik, im Zeitmaß und besonders in der Artikulation die Resultate der neueren Bach-Ästhetik praktisch verarbeitet. Der Pianist Ferruccio Busoni hat bei Breitkopf und Härtel Bachs Werke in einer Interpretatonsausgabe erscheinen lassen. Mit diesen »Bach-Busoni-Ausgaben« bekommt man eine Art von Meisterunterricht mit vielen geistvollen Anmerkungen, ganzen Studien-Beiheften usw. Auch heute noch wird oft eine Interpretation "Bach-Busoni" gespielt. DIE FRÜHEN KLAVIERSCHULEN. Zwischen 1797 und 1804 sind mindestens sechs neue Klaviermethoden erschienen, die als die frühesten spezifischen Schriften für pianoforte angesehen werden. Sie sind in England, Deutschland und Frankreich herausgegeben worden. Die frühen drei Klavierschulen, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden sollen, sind folgende: Muzio Clementis Introduction to the Art of Playing on the Piano Forte, Wien (bey Johann Cappi), 1802, 1806 und 1815 (Bayerische Staatsbibliothek, München), Louis Adam's Méthode de Piano du Conservatoire, (Paris: Au Magasin de Musique du Conservatoire Royal, 1804), Johann Nepomuk Hummel's Klavierschule

"Ausführliche

präsentieren

den

Schülern

Anweisung Sätze

zum

der

Pianofortespiel",

"Französischen

(1815-1827,

Suiten"17

Wien).

Sie

Teile

des

und

18

"Wohltemperierten Klaviers" . Die Klavierschule, die populärste und gebräuchlichste von allen diesen frühen Klavierschulen war "Muzio Clementi's Introduction to the Art of Playing on the Piano Forte". Sie wurde ab 1801 in elf Ausgaben herausgegeben und auf französisch (1802), deutsch (1802), spanisch (1809) und italienisch (ca. 1832) übersetzt. Die Lektionen von Clementis Klavierschulen waren für die Tasteninstrumente gedacht und geschrieben, zwölf Stücke davon sind für Cembalo und für Clavichord komponiert worden. Clementi hat diese Stücke von Händel, F. Couperin, J. S. Bach, D. Scarlatti, Rameau, C. P. E. Bach, u.a. gewählt,

Riemann Musik Lexikon, B. Schott’s Söhne, Mainz, London, New York [u.a.] 1961. S.611. Muzio: ”Clementi’s Vollständige Klavierschule”, Wien, 1815, S.62f. 18 Adam, Louis: ”Methode de Forte Piano”, Paris 1804, S.212f. Hummel, Johann Nepomuk: ”J.N. Hummel's Klavierschule" Wien 1827, S.: 379 bis 381. u.a. 16

17Clementi,

17

um "den Geschmack" der "Jungen Pianisten" zu entwickeln.19 Bach erscheint in der Lesson XLVIII (48) von seiner Klavierschule mit der Polonoise und dem Minuet aus der Französischen Suite BWV 817, in der folgenden Lesson XLIX (49) wird eine Gavotta von Corelli und eine Prelude (in c# Minor) von Clementi präsentiert. Clementi nimmt aber auch Musikstücke von seinen Zeitgenossen wie Haydn, Pleyel, Dussek, Cramer und Beethoven u.a. Oft wurde Clementi, während er lebte und nach seinem Tod, als der Gründer der gegenwärtigen Pianofortespielschule berücksichtigt

20

. Er begründete die 'englische Schule'

des Klavierspiels (benannt nach dem vollen Ton und dem einem pedalisierten Spiel entgegenkommenden klanglichen Reichtum der zeitgenössischen englischen Klaviere). Fétis schrieb auch einen lobenden Artikel über Clementi in "Historische Skizzen über Piano-Forte Instruments und Pianisten": Von allen Künstlern die dazu beigetragen haben, das Pianofortespiel zu perfektionieren, war Clementi derjenige, der am meisten beeinflußte... Die Schule von Clementi wird von den begabtesten Pianisten berücksichtigt als die beste Klavierschule, die bis jetzt gefunden wurde."21

Clementi und einige seiner Schüler (z. B. Johann Baptist Cramer, Johann Ladislaus Dussek und vor allem John Field) schufen eine Satztechnik und eine Spielweise, die die romantische Klaviermusik vorbereiteten. (Die stilistische Nähe von Field und Chopin ist offenkundig.) Czerny selbst hat Clementis Eigenart gegenüber "Mozarts Manier" in seiner Lehre Von dem Vortrage hervorgehoben22 Die anderen Klaviermethoden waren folgende, in chronologischer Ordnung: Johann Milchmeyer's Die Wahre Art das Pianoforte zu Spielen, Dresden: Meinhold, 1797; Ignaz Pleyel's Méthode pour le Pianoforte, Paris: Pleyel, 1797; Louis Adam's Méthode ou Principe Général du Doigté pour le Forte-Piano, Paris: Sieber, 1798; Jan Ladislav Dussek's Instructions on the Art of Playing the Pianoforte or Harpsichord, London: Corri, Dussek & Co., 1799. Louis Adam's Méthode de Piano du Conservatoire, Paris: Au Magasin de Musique du Conservatoire Royal, 1804. Johann Nepomuk Hummel's Klavierschule für Anfänger Wien, 1808 und Hummels Klavierschule "Ausführliche Anweisung zum Pianofortespiel", 1815-1827, Wien. Die Klavierschule von Adam (diese Methode wird im Kapitel 3, Interpretationen im Vergleich bearbeitet werden) war in ihrer Zeit europaweit beliebt, Bach erscheint auf Seite 212 mit der Fuge in C-Dur (Fugues de BACH), [Wohltemperierte Klavier, Teil I, Fuga à 4 (Nr.1),BWV 846] und dem Fuge in cis-Moll, auf Seite 214 (Fuge de BACH, mit Tempo: ”Vivace”), [Wohltemperierte Klavier, Teil II, Fuga à 3 (Nr.4), BWV 873]. Adams Klavierschule ist

19

Rosenblum, Sandra P.: "New Introduction" in: Introduction to the art of playing on the piano forte by Muzio Clemnti. Da Capo Press, New York 1974. 20"present school of pianoforte playing". 21Harmonicon (Sept. 1831). S.213, zum erste Mal in: La Révue Musicale. 22Carl Czerny: "Von dem Vortrage" (1839), Dritter Teil aus Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule op.500: 15ter Kapitel."Über die besondere Art des Vortrags verschiedener Tonsetzer und deren Werke. Seite 71-72.

18

detaillierter als Clementis Einführungen. Sie hat viel mehr Musikmaterial, es besteht eine direkte Beziehung zu der aktuellen Literatur und dem Stil des Pianoforte. Über die Klavierschule Hummels "Ausführliche Anweisung zum Pianofortespiel",23läßt sich sagen, daß Hummel selbst seine Schule als ein Werk verstanden hat, worin er "die Grundsätze einer, durch länger als dreißigjährigen Erfahrung bewährten Methode für das Pianoforte umfassend dargestellt habe."24 Im zweiten Teil seiner Schule im zehnten Kapitel: "Von der Stimmenvertheilung und Fingerordnungs Licenz beim gebundenen Styl; nebst Fugen-Beispielen: X. Im gebundenen Styl." präsentiert Hummel den Schülern Teile des Wohltemperierten Klaviers: "FUGA I, J.S.Bach"25 also bleibt, wie erwähnt, Bach den fortgeschrittenen Schülern vorbehalten. Dieses Werk von Bach findet sich im letzten Abschnitt des zweiten Teils der Klavierschule Hummels. Hummel versteht unter Klaviertechnik vorrangig die Kunst des Fingersatzes. Und darin liegt die eigentliche Bedeutung seines Schulwerkes, das als erste rationale Methode des Fingersatzes versucht,

alle

Möglichkeiten

des

Fingersatzes

zu

systematisieren

und

theoretisch

durchzuspielen. Oskar Bie charakterisiert sie wie folgt: "Und nun wird für jedes Kapitel des Fingersatzes, für jede technische Möglichkeit ein Haufen von Beispielen angefahren, die vollendetste Permutationsrechnung, die es je gegeben hat. 2200 Notenbeispiele stehen im ganzen darin, über 100 Übungen allein entwickeln die Spielmöglichkeiten zwischen c und g. Vor jeder Übung stehen die harmonischen Grundaccorde. Und so passiert das grosse Wunder, dass durch die äussersten denkbaren Kombinationen, durch die hundert chromatischen Nuancen musikalische Figuren sich bilden, die kein Komponist vorher erfunden hat und die zu klanglichen Wirkungen nie gekannter Art reizen."26 Die Klavierschule Hummels bietet einen Aufschluß über die Aufführungspraxis seiner Zeit. Hummels klassizistisches Ideal der Klarheit und Deutlichkeit, das er auch selbst als Pianist verkörperte27, drückt sich in seinem Eintreten für einen äußerst sparsamen Pedalgebrauch und der Ablehnung jedes improvisierenden Verzierens aus, eine Gewohnheit, die zu Hummels Zeit bereits üblich war und später in Franz Liszt einen bedeutenden Vertreter fand.28 23Klavierschule

für Anfänger,1808 und Hummels Klavierschule "Ausführliche Anweisung zum Pianoforte" 1815-1827 Wien. 24 Zimmerschied, Dieter: "Thematisches Verzeichnis der Werke von Johann Nepomuk Hummel", Hofheim am Taunus, 1971, S.206. 25Fuge in cis-moll aus dem Wohltemperierte Klavier Teil I, Fuga à 5 (Nr.4) BWV 849, (Hummel's Klavierschule, Wien 1827,S.379-381). 26 Bie, Oskar: Das Klavier und seine Meister, München 1898, S.118. Weitere Würdigungen der Klavierschule Hummels finden sich bei: Adolph Kullak, Die Ästhetik des Klaverspiels, Leipzig 1916, S.82-87; Walter Meyer, J.N. Hummel als Klavierkomponist, Diss. Kiel, 1922, S. 60. 27

C.Czerny, Erinnerungen aus meinem Leben, = Sammlung musikwissenschaftlicher Abhandlungen Bd.46,Baden-Baden 1986. Zoltán Hrabussay, Beethoven und Hummel. Ihre künstlerischen und persönlichen Beziehung. In: Intern.Beethoven-Kongress, Berlin 1970-1971, S.60.28Daß die allgemeine Verzierungspraxis zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verloren hatte, zeigt, daß Hummel nur vier "wesentliche Manieren" für erwähnenswert hält. Bemerkenswert ist, daß er den langsamen ((rhythmisierten) Triller für das Hammerklavier als klanglich unbefriedigend ablehnt und fordert, daß jeder Triller von der Hauptnote zu beginne habe. Seine Hinweise zur Stimmung des Klaviers zeigen, daß er für die zu dieser

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Carl Czerny (1791-1857), gilt als einer der produktivsten und wirkungsträchtigsten Persönlichkeiten der Klavierpädagogik. Die Geschichte des Klavierspiels und die Praxis des Klavierunterrichts wurden und werden bis heute nachhaltig von Czernys Werk geprägt. Als Schüler Beethovens und als Lehrer von Franz Liszt, Theodor Kullak und Theodor Leschetizky um nur drei renommierte Namen seiner zahlreichen Schüler zu nennen - wirkte Czerny als Vermittler in der Entwicklungsgeschichte der Pianistik: Er verband die über Carl Phillipp Emanuel Bach auf Johann Sebastian Bach zurückreichende Tradition des Klavierspiels mit dem modernen Virtuosentum, wie es sich im 19. Jahrhundert heranbildete. Die Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule von dem ersten Anfange bis zur höchsten Ausbildung fortschreitend29 ist Czernys pädagogisches Hauptwerk und gleichzeitig das wohl umfassendste, materialreichste Lehrwerk für Klavier, das im 19. Jahrhundert geschrieben wurde. Drei Jahre nach Beendigung von Czerny Unterrichtstätigkeit veröffentlicht, bildet es ebenso eine Summe seiner vielfältigen Erfahrungen wie auch der zuvor erschienenen Schulen. Czerny war mit vielen Lehrwerken der Vergangenheit bestens vertraut; er selbst wies darauf hin, daß er "alle alten und neuen Schulen sehr genau kenne, größtenteils auch selber besitze"30. Czernys Schule ist also nicht lediglich 'eine unter vielen', sondern in gewisser Weise auch 'eine für viele'. Der erste und umfangreichste Band (19 Kapitel auf 168 Seiten) vermittelt eine klavierpraktische und musiktheoretische Elementarlehre.. Der zweite Band (16 Kapitel auf 154 Seiten) trägt die Überschrift Von der Fingersetzung. Der als Supplementband erschienene vierte Teil der Pianoforte-Schule (Die Kunst des Vortrags der ältern und neuen Claviercompositionen oder Die Fortschritte bis zur neuesten Zeit) ist eine Erweiterung der Lehre Von dem Vortrage, die den dritten Band bildet. Er umfaßt 191 Seiten und handelt vom "Vortrage der neuesten Compositionen von Thalberg, Döhler, Henselt, Chopin, Taubert, Willmers, Franz Liszt und andrer jetziger Tonsetzer" (1. Kapitel), "Ueber den richtigen Vortrag der sämmtlichen Beethoven'schen Werke für das Piano allein" (2. Kapitel) und "...für das Piano mit Begleitung" (3. Kapitel) sowie "Ueber den Vortrag der Fugen Sebastian Bach's, Händel's und andrer classischer Autoren" (4. Kapitel). Im vierten Teil der Pianoforte-Schule, dem Vortrag von Fugen gewidmeten Kapitel, konkretisiert Czerny die entsprechenden Ausführungen von Kapitel 12 ("Über den Vortrag der Fugen und anderer Compositionen im strengen Style") des 3.

Zeit durchaus noch nicht allgemein verbreitete temperierte Stimmung eintritt. Eine wichtige Quelle hingegen stellt die Klavierschule hinsichtlich der Tempomodifikation dar, die Hummel -in gewissen Grenzen- durchaus billigt und anhand von Auszügen seines Klavierkonzerts in a-moll und seiner fis-moll Sonate demonstriert. 29Der vollständige Titel des werks lautet:Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule von dem ersten Anfange bis zur höchsten Ausbildung fortschreitend, und mit allen nöthigen, zu diesem Zwecke eigends componirten zahlreichen Beispielen, in 4 Theilen, op. 500, Wien (A. Diabelli),1839/40. 30Brief an Carl Friedrich Peters von 25.12.1823; zit. nach Grete Wehmezer, Carl Czerny und die Einzelhaft am Klavier oder Die Kunst der Fingerfertigkeit und die industrielle Arbeitsideologie, Kassel, Basel, London u. Zürich 1983, S.86. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch Czerny Tätigkeit als Übersetzer bzw. Bearbeiter zweier älterer Schulwerke von Rang. Czerny besorgte die 1826 erschienene deutsche Ausgabe der Méthode de pianoforte (Paris 1802) von Louis Adam, der ersten Klavierschule des Pariser Konservatorium und der ersten ausgesprochenen Virtuosenschule für Klavier; außerdem redigierte er die Klavier- und Fortepiano-Schule (Jena 1804) des Thomaskantors August Eberhard Müller, die in Czerny Bearbeitung als 8. Auflage (Leipzig 1826) unter dem Titel Grosse Pianoforte-Schule erschien. (Müllers Schule ihrerseits ist die 6.Aufgabe der von ihm bearbeiteten Clavier-Schule von Georg Simon Löhlein, deren beide Bände erstmals 1765 und 1781 in Leipzig und Züllichau gedruckt wurden).

20

Bandes. Hier bietet sich ein aufschlußreicher Einblick in die damalige Auffassung und Aufführungspraxis von Musik der Bach-Zeit. Czernys große Pianoforte-Schule unterscheidet sich von vergleichbaren früheren und späteren Werken durch ihre einzigartige Stoffülle. Während in den Schulwerken des 18. Jhs. vor allem die verbalen Ausführungen die eher spärlichen Beispiele überwogen und daher für den Unterricht vergleichsweise wenig praktisches Material boten, wurden die Virtuosenschulen des frühen 19. Jahrhunderts. - als Musterbeispiel sei Hummels Anweisung31 von 1828 genannt - zu technokratischen Sammlungen von akribisch erstellten Übungsformeln. Und die Lehrwerke des späteren 19. Jhs. tendierten immer mehr dazu, die Klaviertechnik durch empirischphysiologische, also naturwissenschaftliche Fundierung und die Lehre vom musikalischen Vortrag durch rigide Systembildungen von der Realität komponierter Musik und der ihr angemessenen Darstellung zu entfremden. Czerny galang es mit seiner Pianoforte-Schule, eine theoretische Gesamtschau des Klavierspiels als praktische Lehre zu konkretisieren. Czernys Lehre Von dem Vortrage32, der dritte Teil seiner großen Pianoforte-Schule, erörtert durch Musikbeispiele in verschiedenen Stilarten die wesentlichen Probleme des adäquaten Vortrags von Klaviermusik der Bach-Zeit bis hin zu der um 1840 beliebten Virtuosenliteratur.

31Johann

Nepomuk Hummel, "Ausführliche Anweisung zum Pianoforte-Spiel, vom ersten ElemntarUnterrichte an, bis zur vollkommensten Ausbildung", Wien 1828, 2. überarbeitete Auflage 1838, Reprint (mit einem Vorwort von Andreas Eichhorn) der 2. Auflage, Straubenhardt 1989. 32 Um Klarheit über die Art der musikalischen Darstellung zu gewinnen, zu der Czerny mit seiner Vortragslehre anleiten will, muß geklärt werden, was Czerny und seine Zeitgenossen unter »Vortrag« verstanden. »Vortrag« meint etwas anderes und hat einen anderen geschichtlichen Ort als die mit Begriffen wie 'Ausführung' ('Executio'), 'Interpretation' bezeichneten Darstellungsweisen. Der bis zur Bach-Zeit gebräuchliche, der antiken Rhetorik entstammende Begriff 'Executio'' bezeichnet einen Teilbereich, nämlich den (nach 'Inventio'' = Themenfindung, 'Dispositio' = Gliederung, 'Elaboratio' Ausarbeitung und 'Decoratio' = Ausschmückung) letzten Schritt in der Hervorbringung einer "Klang-Rede" (Mattheson). Idealtypisch liegt dieser Abfolge die Vorstellung der Personalunion eines alle fünf Schritte leistenden musikalischen 'Rhetors'' zugrunde. Und gemessen an den Ausführungen zu den gewichtigen, substantiellen ersten vier Bestandteilen beobachtet man in der überliferten Lehre ein nur mehr untergeordnetes, vergleichsweise beiläufiges Interesse an der 'Executio'. Dem musikalischen 'Vortrag' dagegen, der sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt, kommt ein höherer künstlerischer Eigenwert zu. In diesem Sinne begreift Czerny den 'Vortrag' durchaus geschichtlich als ein Phänomen jüngerem Datums. Im 4. Teil der Pianoforte-Schule schreibt Czerny: "Das, was wir jetzt Vortrag und Ausdruck nennen, war den Alten, (zu Händels und Seb. Bachs Zeiten) unbekannt ..." (S.126). Die Mittel des 'Vortrags' und ihre Handhabung durch den Vortragenden werden ungleich reicher und subtiler beschrieben als vormals die der 'Execuio'. (J.A.P. Schulz, Artikel "Vortrag" (Musik), in: Johann Georg Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste", 2. vermehrte Auflage, Teil 4, Leipzig 1794, Reprint Hildesheim 1967, S.700).

2.3. QUALITATIVE ANALYSE BEWERTUNG BACHS INNERHALB DER KLAVIERSCHULEN DES 19. JAHRHUNDERTS. Bis ins späte 19. Jahrhundert werden die meisten Klavierschulen sowohl für den Unterricht mit Lehrern als auch für Autodidakten verfaßt.1 Um diesen Autodidakten das nötige Wissen zu vermitteln, müssen dementsprechend umfassend technische, musikalische wie kompositorische Belange im Text beschrieben werden. Kommentarlose Schulen werden selten verlegt. Man versucht, ein ausgewogenes Lehr- und Lernprogramm zu erstellen, in dem Praktisches und Theoretisches sich die Waage halten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verzichtet man zunehmend auf erklärende Texte in Klavierschulen. Der Lehrer als Vermittler tritt mehr in den Mittelpunkt, man verläßt sich auf dessen Instruktionen. Stellen Körperhaltung, Tastatur, allgemeine Musiklehre in älteren Schulen einen wichtigen Teil dar, der differenziert abgehandelt wird, werden diese Gebiete in jüngeren Werken nur kurz angesprochen oder fehlen ganz2. Dies betrifft ebenso Bemerkungen zu einzelnen Komponisten, die, obwohl sie nicht ganz aufgegeben werden, selten mehr als knappe biographische Informationen enthalten. Daß auch im frühen 19. Jahrhundert Einführungen zu Komponisten keine Selbsverständlichkeit sind, beweisen die Klavierschulen Clementis3, Adams4, und Fétis-Moscheles5. die keinerlei nähere Erläuterung kompositorischer und biographischer Art hinzufügen. In ihren technischen Betrachtungen jedoch sind diese Autoren ausführlich. Indem man das Bachsche Werk dem Zeitgeist zu adaptieren sucht, bleibt es dem Liebhaber erhalten. So werden Bachs Fugen dem Typ der Charakterstücke zugeordnet, "seine Klavier -Fugen- und zwar nicht nur jene im Wohltemperierten Klavier - sind wahre Charakterstücke, deren Vortrag die lebendigste Individualisierung, die feinste Schattierung, vor allem aber die durchsichtigste Klarheit in der Führung der einzelnen Stimmen erfordert",6

oder

sie

erhalten

durch

ihr

technisch

anspruchsvolles

Niveau

ihre

Daseinsberechtigung. "Bach Clavier-Arbeiten haben zwar die Grazie der heutigen nicht, sie ersetzen aber diesen Mangel durch Stärke. Seine Sätze stärken die Hand und füllen das Ohr. Beide Hände sind in gleicher Beschäftigung, so dass nicht die linke Hand erlahmt,

1

Siehe Kapitel 2.2.: "Zur Geschichte der Frühdrucke und Frühen Klavierschulen". Auszunehmen sind hier u.a. Breithaupt, R.M.: "Die natürliche Klaviertechnik". Leipzig 1906., Caland,E: "Die Deppe'sche Lehre des Klavierspiels", Magdeburg, 1897., Germer, H.: "Wie studiert man Klaviertechnik". Leipzig, 1896.,die in ihren Schulen den physiologischen Gesichtspunkt neu erläutern und den Schüler mit neuen Techniken vertraut machen. 3 Clementi, Muizio: "Clementi's vollständige Klavierschule", Wien 1815. 4 Adam, L.A.: "Mèthode nouvelle pour le Piano". Paris, 1802 (Deutsch hrsg. C. Czerny, Wien). 5 Fétis, F.J. & Moscheles, I.: "Méthode des Méthodes." Die vollständigste Schule oder die Kunst des Pianofortespiels", Berlin, 1837. ("Metodo dei Metodi di Pianoforte", Mailand 1841). 6Lebert-Stark: Große theoretisch-praktische Klavierschule, Stuttgart 1858: Bd. 2, Kap. XX. 2

22

wenn die rechte erstarkt."7 Ihre Einfachheit und der "correcte Geschmack"8 sollen dem Schüler laut Lebert-Stark Hilfe bieten, ihm das "Klavierspielen" richtig nahe zu bringen.9 Technisch sollen Bachs polyphone Sätze die Hände erstarken;10 man erkennt, daß durch sie die Unabhängigkeit der Hände gefördert bzw. ausgebildet wird. Die Gleichberechtigung beider Hände bringt einen großen Vorteil gegenüber der zum Teil an Alberti-Bässen11 orientierten Übungsliteratur. Wie Friedrich Starke erkennen auch Lebert-Stark in Bachs Werken einen Übungsstoff. Ihr Unterrichtsstoff soll nicht "zuviele technische Übungen beinhalten", da sie "ermüden" und "den Geist lähmen".12 Vielfach wird Polyphonie wieder zur Grundlage des Klavierstudiums umfunktioniert und diese als Hilfsmittel für das gebundene Spiel empfunden. Nun verweist man stärker auf Bach: "Und hier müßen wir auf das Studium Seb. Bachs als unumgängliche Basis des gebundenen Spiels hinweisen, auf welches sich unsere Schule vorzugsweise stützt." 13, denn schulgerechte Bildung der Finger ist davon abhängig, ob man "jede einzelne Stimme gebunden und melodisch, das heißt gesangreich vorzutragen hat". Carl Czerny (1791-1857) widmet Fugenkompositionen ein Kapitel in seinem Werk "Die Kunst des Vortrags der älteren und neueren Klavierkompositionen"14, in dem auch Bach eine wichtige Rolle zuerkannt wird. Hier lehrt Czerny auf der Basis der Fugen des "Wohltemperierten Klaviers" das Fugenspiel. Auch Fétis-Moscheles15, Louis Adam16 und Hummel17 werden, wie bereits erwähnt, beeinflußt von Bachs Fugenschaffen und reihen seine Fugen in ihre Sammlungen von Meisterwerken ein. Erscheint eine Komposition von Bach in Klavierschulen, so immer als 7Starke,

Friedrich: Wiener Pianoforteschule, Wien 1819, S.40. Ebda., "Die Elemente des Styls sind Kraft, reiner Ton, mannigfaltiger Ausdruck, correcter Geschmack und vollkommene Einfachheit." S.40. 9Lebert-Stark: Große theoretisch-praktische Klavierschule, Stuttgart 1858, Bd.2 Kap.XXI. 10 Ebda. 11 Michels, Ulrich: "Historischer Teil: Vom Barok bis zur Gegenwart", in dtv-Atlas zur Musik, »AlbertiBässe«. Bärenreiter Verlag,1985. S. 396f. 12Lebert-Stark: Große theoretisch-praktische Klavierschule, Stuttgart 1858, Bd.2 Kap.XIX. 13Ebda. so wie in der Klavierschule Hummels, Zehntes Kapitel. Von der Stimmen- Vertheilung und Finger-Ordnungs-Lizenz beim gebundenen Styl: § 1 Im gebundenen Styl kommen, sozusagen, alle Arten des Fingersatzes vor: wer eine Fuge gut vortragen will, muss daher mit diesen bereits genau bekannt sein, und den Mechanismus der Finger völlig in seiner Gewalt haben. § 2 Besonderes Augenmerk richte der Spieler auf die Stimmenführung, damit er gleich erkenne, wie er sie geschickt trennen, und die Mittelstimmen unter beide Hände vertheilen soll; er verweile mit den Figern weder kürzer noch länger auf den Tasten, als es der Werth der Noten genau angibt; denn er vernimmt sonst, sollte er auf einer Orgel spielen, eine Anzahl falscher, ausser der Harmonie liegender Töne. § 3. Der Vortrag muss durchaus gebunden und fliessend sein, und die Eintritte des Themas müssen etwas kräftiger hervorgehoben werden.Kapitel X: "Im gebundenen Styl". FUGA I. J. S. Bach. Wien 1827, S. 379. 14Wien ca. 1846. 15Fétis-Moscheles: Metodo dei Metodi di Pianoforte, Mailand 1841. 16Adams Methode de Piano du Conservatoire, Paris: Au Magasin de Musique du Conservatoire Royal, 1804. 17 J.N. Hummels Klavierschule, Wien 1817. 8

23

Meisterwerk. Wichtig ist für die Klavierschulen des 19 Jahrhunderts das Vorbild der Bachschen Werke und ihre Funktion für den Fingersatz. Bach vermittelt ein bestimmtes pianistisches Niveau, das sich jedoch nicht auf Fugen beschränkt. Clementi, der in seine "50 Uebungsstücke" keine Fugen aufnimmt, sondern die Polonaise und das Menuet aus der "Französischen Suite" (BWV 817), bekräftigt dies in seinem Vorwort: "... enthaltend die Anfangsgründe der Musik, die nöthigen Begriffe zur Fingersetzung mit Beispielen erläutert und 50 Lectionen, zur Uebung der Fingersetzung aus den gewöhnlichen Dur-Molltönen, nach den Mustern der vorzüglichsten älteren und neueren Komponisten, nebst kurzen vorangehenden Präludien vom Verfasser."18 Demselben Muster folgt Joseph Fischhof, der betont, daß seine "Classischen Studien ... Aus Meisterwerken gewählt und zum richtigen Verständnisse mit Vortragszeichen und Fingersatz" versehen worden sind.19 Fétis-Moscheles Methode basiert "sull'analisi delle migliori opere".20 Dieser Anspruch weicht im

ausgehenden

19.

Jahrhundert

dem

Wunsch,

durch

einfachere

Werke

und

Bearbeitungen Bach einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Diese Entwicklung findet zur gleichen Zeit statt wie das sich ändernde Bild der Klavierschulen im allgemeinen. Die Schulen sollen dem Elementarunterricht dienen.21 Man greift nicht mehr auf technisch hochstehende Werke zurück, sondern versucht, Bach in das frühe Studium methodisch einzubauen. Zwischen leicht gesetzte Lieder, Übungen, Chorsätze und Arien aus Opern streut Gustav Damm als einer der ersten eine Bearbeitung eines Bachschen Vokalwerkes ein.22 Er empfiehlt im Anhang "sechs kleine Präludien", sechs "zweistimmige Inventionen", "Preambolo in sol minore" und "5 parti dalla serie in so maggiore" zum Studium. Bemerkungen zu Bachs Größe und Genie sind in den Klavierschulen vom Anfang des 20. Jahrhunderts seltener; eine Rechtfertigung für sein Erscheinen in klavierpädagogischen Werken ist nicht mehr nötig. Inzwischen hat sich sein Oeuvre etabliert, denn bei gründlichem Studium seiner Werke ist man gegen "Verflachung und Versumpfung" gefeit.23 Auch grenzt man sich gegen jene Pädagogen ab, denen Qualität und Können im Unterricht fehlen, denn "eines der wichtigsten Ziele des Klavierunterrichts muß jedem ernsten Lehrer, jedem strebenden Schüler die Weckung des Verständnisses für Bachsche Kunst sein."24

18Clementi,

Muzio: Clementi's vollständige Klavierschule", Wien 1815. Joseph: Classische Studien für das Piano-Forte, Wien ca. 1848. 20Fétis-Moscheles: Metodo dei Metodi di Pianoforte, Mailand 1841. 21wie zum Beispiel: Horak, Eduard: Klavierschule vom ersten Anfang bis zur Mittelstufe, Köln ca. 1892. Ruhoff, Wilhelm: Klavierschule für den Elementar Unterricht, Zürich. Seifert, Uso: Klavierschule und Melodiereigen, Leipzig 189- (Ende 19.Jh.). 22Damm, Gustav: die Arie "Mein gläubiges Herze frohlocke" aus BWV 68 in: "Metodo de Piano", Leipzig 1868, S. 152. 23Götze, Gustav: Klavierschule, Bd. 2, Braunschweig 1908/09, Vorwort. 24 Ebda. 19Fischhof,

24

Martin Frey äußert sich nicht so deutlich wie Götze zu diesem Thema, seine Schule weist jedoch in diese Richtung.25 Frey macht das Bachspiel, dem "nur sehr wenige von ihnen [Klavierschulen] vorarbeiten", zu einem wichtigen Bestandteil seiner Methode und integriert Volks- und Kinderlieder in seine systematischen Vorarbeiten zum Bachspiel. Er entwickelt einhändige Vorübungen aus einzelnen Takten Bachscher Werke, die den Einstieg in die Bachliteratur erleichtern sollen. Einen

weiteren

Grundstein

des

wachsenden

Bachverständnisses

legt

die

"Jugendbewegung", deren Ziel ein "Wollen der musikalischen Form"26 ist. Bach wird unter verschiedenen Gesichtspunkten bekannt gemacht. Setzt Frey Volks- und Kinderlieder polyphon, lehnt August Halm eine Aufnahme von Volksliedern in Klavierschulen ab.27 Zu wenig

klaviermäßig

und

somit

ungeeignet

für

diesen

Unterricht,

greift

er

auf

Originalkompositionen zurück, die dem Schüler vom Lehrer vorgespielt werden sollen. Dabei vereinfacht und bearbeitet er vor allem Stücke von Bach. Halm funktioniert diese Stücke zu Übungen um, ebenso wie Ferruccio Busoni28 BWV 846 und 988 zu Klavierübungen umformt. Werden satztechnische Probleme im Zusammenhang mit Johann Sebastian Bach im 19. Jahrhundert im Bereich der Fuge erläutert, bietet Richard Noatzsch29 eine praktische Formenlehre, die von Suitensätzen ausgeht. Strukturelle und geschichtliche Erläuterungen der Gattungen ersetzen bei Noatzsch Biographisches. Der Versuch, mit körpergerechten Techniken dem Schüler das "natürliche" Klavierspiel zu lehren, gibt den Vortragstücken einen neuen Inhalt. Man vermittelt durch diese Vortragstücke Bewegungsstudien mit musikalischem Gehalt. Statt technischer Etüden legt man dem Schüler eine Koppelung von Bewegungsablauf und musikalischem Vortrag vor. Breithaupt30 und Caland31 analysieren den Bewegungsablauf anhand bekannter Werke und lassen diesen von den Schülern nachvollziehen. Man vermeidet durch den musikalischen Bezug technische Übungen. Ebenso technisch und musikalisch arbeitet Jiranek,32 der den physiologischen Aspekt allerdings nicht nachvollzieht.

25Frey,

Martin: Schule des polyphonen Spiels, Bd. 1, Leipzig 1910. August: Klavierübung. Ein Lehrgang des Klavierspiels nach neuen Grundsätzen - zugleich erste Einführung in die Musik. Band I: Vom ersten Anfang bis zu Beethovens leichteren Variationen und Bach Kleine Präludien und Inventionen. Stuttgart 1908-1918. 27Halm, August: Ebda., Vorwort. 28Busoni, Ferruccio:Sechs Klavierübungen und Präludien, Leipzig 1908. aber auch in Joh. Seb. Bachs Klavierwerken / unter Mitwirkung von Egon Petri und Bruno Mugellini / Herausgegeben von / Ferruccio Busoni, / Band I / Das Wohltemperierte Klavier / Erster Teil / Bearbeitet und erläutert, mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Klavierspieltechnik von Ferruccio Busoni. Eigentum der Verleger für alle Länder Breitkopf & Härtel, Leipzig, Berlin, New York, 1894. 29 Noatzsch, Richard: Praktische Formenlehre der Klaviermusik, Leipzig, 1908. 30 Breithaupt, R.M.: Die natürliche Klaviertechnik, Leipzig 1906. 31 Caland, Elisabeth: Praktischer Lehrgang, Stuttgart 1912. 32 Jiranek, Joseph: Neue Schule der Technik und des musikalischen Vortrages, Wien 1910. 26Halm,

25

Von der Seite der "cantablen Spielart", des lieblichen Gesanges, betrachten Busoni, Caland u.a. Bachsche Werke und beschränken sich so auf einen bestimmten Teil seiner Kompositionen. Bachs Werke wurden also nicht ausschließlich als Spielliteratur, als Vortragsstück im Klavierunterricht verwendet, sein Verwendungszweck reicht von Übungsstück technischer Art, Bewegungsstudie bis zum Übungsstück im Erlernen des Blattspiels.

26 III INTERPRETATIONEN IM VERGLEICH 3.1 Veränderungen Abweichungen von der zum Vergleich herangezogenen Neuen-Bach-Ausgabe1 können nicht generell als beabsichtigte Veränderungen, Bearbeitungen oder als Druckfehler genommen werden. Eine Zuordnung zu einer dieser drei Komponenten ist nicht in jedem Fall möglich, was besonders für Schulen des 19. Jahrhunderts einen nicht zu übersehenden Unsicherheitsfaktor bedeutet. Die überlieferten Fassungen einzelner Werke bieten nicht immer ein einheitliches Bild; je nach Quelle übernahmen Verfasser und Editoren Abweichungen in ihre Ausgaben. Letzten Abschluß gäbe ein umfassendes Quellenstudium, das jedoch auf Grund mangelnder Einsichtsmöglichkeiten nicht verwirklicht werden konnte. Ein typisches Beispiel dafür ist die Fassung der Polonaise aus der "Französischen Suite" BWV 817, die Clementi in seine Schule aufgenommen hat:2. Die Sopran - Figur des ersten Taktes scheint

auf. In dieser Form wird sie durch die ganze Polonaise

3

fortgeführt . Bsp.1. Polonaise aus den Französischen Suiten BWV 817, Takt 1: Clementi:

 1

Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe Sämtlicher Werke (NBA): "Die Neue Bach-Ausgabe (NBA) ist eine Urtexausgabe; sie soll der Wissenschaft einen einwandfreien Originaltext der Werke J. S. Bach bieten und gleichzeitig als zuverlässige Grundlage für praktische Aufführungen dienen. ... Über kleinere Varianten eines Werkes (»Lesarten«) orientiert der Kritische Bericht. Ist ein Werk in mehreren Quellen mit Abweichungen größeren Ausmaßes überliefert, so werden sämtliche Fassungen abgedruckt, die mit hinreichender Sicherheit auf J. S. Bach zurückgehen. Für die Ausgabe werden die Nummern des Thematisch-systematischen Verzeichnisses der musikalischen Werke von Bach (BWV) von W.Schmieder beibehalten." Zur Edition "V". a. "Die Klavierbüchlein für Anna Magdalena Bach, (1722 und 1725)". Band 4, Hrsg. u. Kritischer Bericht von Georg von Dadelsen. Bärenreiter-Verlag. Kassel - Basel - London. 1957. b. "Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach (1720)". Band 5, Hrsg. u. Kritischer Bericht von Wolfgang Plath und Hermann Keller. Bärenreiter-Verlag. Kassel - Basel - Paris - London New York. 1963. c."Inventionen und Sinfonien (1723)".Band 3 (Serie V:Klavier- und Lautwerke), Hrsg vom J.S.BachInstitut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig und Kritischer Bericht von Georg von Dadelsen. Bärenreiter-Verlag. Kassel - Basel - Tours - London. 1970. d."Die Sechs Französischen Suiten, (BWV 812-817)". Band 8, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag .Kassel - Basel - London. 1982. e."Die Sechs Englschen Suiten, (BWV 806-811). Band 7, Serie V. Kristischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-London. 1981. f. "Partiten", (BWV825-830). Band 1 Serie V. Kritische Bericht von Richard Douglas Jones. Bärenreiter-Verlag. Kassel-Basel-Tours-London. 1978. g."Das Wohltemperierte Klavier I u.II, (1722-1744)". Bände 6.1. u. 6.2, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag. Kassel - Basel - London - New York. 1989. 2 Clementi, Muzio: "Clementi's vollständige Klavierschule"Wien, 1806/15."Clementi's Introduction to the Art of playing on the Piano Forte". London, 1811. 3 Demzufolge können zwei der fünf Quellen in Betracht gezogen werden: AM.B. 50 und AM.B. 76, die beide in T. 1, 5, 9, 17, 19, , wogegen die übrigen Quellen eine Mischung von und notieren (Dürr, Alfred: Kritischer Bericht zu NBA Serie V/VIII, Kassel 1982, S.113/4.

27 NBA4:

 Man beobachtet bereits in der ersten rhythmischen Figur5 in Takt 1 eine Veränderung: wo Clementis Fassung folgende rhythmische Figur lang, kurz, kurz6 nimmt, ist dieser erste Ton gis" hier eine Achtelnote und nicht die erste Sechzehntelnote der Figur: kurz, kurz, lang,7 wie in der NBA-Fassung. Clementis Fassung gibt durch den Bindebogen die rhythmische Grundform der Figur vor, die Achtelnote gis" ist ein Teil der Figur und nicht nur der erste Ton des Stückes, den man von den nächsten zwei Sechzehntelnoten (a"-h") trennen könnte, die als Auftakt rhythmische Figuren der nächsten zwei Viertelnoten a" und gis" sein könnten. Daß Druckfehler im 19. Jahrhundert keineswegs eine Seltenheit sind, meist auf Sorglosigkeit des Editors zurückzuführen sind, läßt sich anhand einiger Beispiele belegen. Dazu zählt die Klavierschule Adams8, in deren Abdruck der Fugen BWV 846 und 873 besonders sorglos mit den Vorzeichen umgegangen wird. Bsp. 2. Fuge C-Dur, BWV 846, Takte 15/16: L. Adam:

 NBA9:

 In der Louis Adam-Fassung lassen sich zwei Veränderungen in Takt 15 und 16 im Vergleich zu der NBA-Fassung beobachten. Im zweiten Achtel des dritten Schlages der Tenorstimme wird in der Louis Adam-Fassung Ton a und nicht Ton g genommen; dies ist wahrscheinlich auf einen Druckfehler zurückzuführen. Das melodische Intervall (a-d') entspricht dem Intervall der Alt-Stimme im zweiten Schlag des Taktes, das die harmonische Struktur10 dieses Taktes verändert: 1. = V(Dominant) 2. = III(Dominantparallele, Dp) 4

In folgenden Synopsen wird der Urtext mit NBA (Neue Bach-Ausgabe) gekennzeichnet. Dürr, Alfred: Kritischer Bericht zu NBA Serie V Bd.8, Kassel 1982, S.113/4. 6 Die rhythmischen Grundformen kann man im wesentlichen auf Bildungen zurückführen, die uns von der Dichtkunst her vertraut sind: Da findet man: den Daktylus: Lang , kurz , kurz : . 7 den Anapäst:kurz ,kurz, lang  8 Adam, Louis: "Methode de Forte Piano", Paris 1804. 9 NBA: "Das Wohltemperierte Klavier I " / Herausgegeben von Alfred Dürr. Bärenreiter Kassel-BaselLondon-New York. 1989. 10Czaczkes, Ludwig:"Analyse des Wohltemperierten Klaviers / Form und Aufbau der Fuge bei Bach", Band 1, Österreichischer Bundesverlag Wien-München. 1965, S. 47f. 5

28 3. = VI(Tonikaparalle, Tp) 4. = V(Dom.) 3. = I (Tonika) und nicht die VI7(Tp mit Terz im Baß) 7.= IIdaV (Doppel Dom.) und nicht die Subdominantparallele (Sp). Denn hier im ersten Achtel des vierten Schlags steht ein f' und nicht, wie in der NBA, ein fis', der Leitton von G-Dur. In Takt 16 der Sopranstimme im ersten Achtel des vierten Schlages steht kein Auflösungszeichen, was bedeutet, daß das Kreuz (fis-Note) im zweiten Achtel des ersten Schlages den ganzen Takt gilt. Mit diesem Druckfehler gibt es eine melodische Veränderung. Das selbe Problem präsentiert sich in der Altstimme ohne das Auflösungszeichen ( ) für das Kreuz bei g' im zweiten Achtel des dritten Schlages des Taktes. Auch in der Fuge in cis-Moll, in Takt 7 (Bsp. 3) der letzten Achtelnote der Sopranstimme steht ein Doppelkreuz in f' für einen Doppel Dominant Akkord, während es in der NBA keine Veränderung gibt. Bsp. 3. Fuge cis-Moll, BWV 873, Takt 7: L. Adam:

 NBA:11

 Die Art der Veränderungen ist breit gefächert, sie können auf drei Komponenten mit Untergruppierungen

gebracht

werden:

rhythmische,

melodische

und

harmonische

Veränderungen. Ihr Zweck ist mannigfaltig und reicht von technischen und rhythmischen Erleichterungen, Klangverstärkung,

Umbildung

zu

Übungen

bis

zur

Anpassung

an

ästhetische

Gegebenheiten der Zeit; dementsprechend wandelt sich das Bild der verändernden Elemente. Abgesehen von den übernommenen Fehlern der Abschriften und Quellen, die sich durch die Forschungstätigkeit im 20. Jahrhundert auf ein Minimum reduzieren, greift man im 19. Jahrhundert im gleichen Umfang auf verändernde Elemente zurück. Wie im 20. Jahrhundert sind sie dennoch unterschiedlicher Prägung. Eine einheitliche Linienführung der Fugenstimmen bewegt C. Czerny, L. Adam, J.N.Hummel zu Umänderungen in der Stimmführung; Dissonanzen und Querstände werden entschärft, Leittöne den Hörgewohnheiten der Zeit angepaßt.

11NBA:"Das

Wohltemperierte Klavier II". Bd 6.2, Serie V. Kritischer Bericht von Alfred Dürr. Bärenreiter-Verlag. Kassel - Basel - London - New York. 1989.

29 Bsp. 4. Fuge E-Dur, BWV 854, Takt 3: C.Czerny12:



NBA:



Czerny wiederholt das Erhöhungszeichen von der zweiten Sechzehntelnote ais' der ersten Sechzehntelfigur in der dritten Sechzehntelfigur, in der NBA steht ein Auflösungszeichen ( ). Diese melodische Veränderung hat mit dem Thema der Fuge zu tun, wo an dieser Stelle eine kleine Sekunde als Parallele (dis'-e' - ais'-h') steht. Bsp. 5. Fuge cis-Moll, BWV 873, Takt 54:

L.Adam13:



NBA:



L. Adam verändert die melodische Kontrapunktlinie der Sopranstimme von Thema I, die in Gegenbewegung zum Baß steht. Das Thema endet genau in Takt 54, wo in der NBAFassung die Sechzehntelpause vermeidet und die melodische Linie zur Note cis" verknüpft, eine Stelle, wo das 2. Thema in der Sopranstimme und das 1. Thema im Baß präsentiert wird. Bsp. 6 Fuge cis-Moll, BWV 849, Takte: 42/43: Hummel14:



NBA:



Im Beispiel 6 man kann vermuten, daß die melodischen Varianten der Hummel-Fassung bedingt sind "durch die überlieferte Abschrift aus der 1. Hälfte oder der Mitte des 18. Jahrhunderts der Breitkopfschen Musikalienhandlung in Leipzig".15 In diesen Takten 42/43 findet sich sich die sequenzierende Weiterführung des Taktes 41. Der Unterschied zwischen beiden Fassungen ist so drastisch, daß man nicht behaupten kann, er beruhe auf einem Druckfehler.

12Czerny,

Carl: "Die Kunst des Vortrags der älteren und neueren Klavierkompositionen", Wien, ca.1846, S.124. 13Adam, Louis: "Methode de Forte Piano", Paris 1804. 14 Hummel, J. N.: "Hummel's Klavierschule", Wien 1827, S. 379. 15 Dürr, Alfred: Neue Ausgabe Sämtliche Werke von Johann Sebastian Bach. Kritischer Bericht, Serie V Band 6.1 "Das Wohltemperierte Klavier I". Bärenreiter, Kassel [u.a.] 1989, S.VI.

30

Ferruccio Busoni bedient sich der ersten Dreiklangsbrechung des Präludiums C-Dur BWV 846 als Muster für seine Übung und entwickelt sie melodisch und rhythmisch weiter16. Das folgende Beispiel des Präludiums in C-Dur (BWV 846) zeigt verschiedene Anweisungen für das Busoni-Studium der "modernen Clavierspiel-technik", wo die Muster seiner Übungen konkrete klaviertechnische Aspekte, mit Hilfe rhythmischer und melodischer Veränderungen, erreichen wollen, um die Originalsetzung von Bach richtig zu spielen. Die zwei ersten Beispiele konzentrieren sich darauf, ein "vollkommenes" Legato zu erzielen. Es ist auch interessant die verschiedenen Fingersätze zu beobachten, die er in solchen Übungen benutzt, um das Legato in den zahreichen rhythmischen Figuren zu erreichen: Bsp. 7. Präludium C-Dur BWV 846, T. 20-23:

  F. Busoni:17 I. "Um ein vollkommenes "Legato" zu erzielen, übe man zunächst die Figur im Andantino-Zeitmaas kräftig und so, dass in der rechten Hand jeder Ton, successive, während des Anschlagen des nächsten, liegen bleibt: also den Werth einer Achtel - Note gewinnt:

 II. Sodann versuche man die Wirkung der Originalsetzung durch die folgende Version zu erreichen": Allegro, leggiermente rechte Hand linke Hand



 3.1.1. Rhythmische Veränderungen Rhythmische Veränderungen bringen Erleichterung hinsichtlich der Spieltechnik:18 Bsp. 8: Fuge G-Dur, BWV 884, Takt 62:

16

Busoni, Ferruccio: "Sechs Klavierübungen und Präludien, Teil 1, Leipzig 1918, S. 25. Ferruccio Busoni: "Das Wohltemperierte Clavier / von Johann Sebastian Bach./ Bearbeitet, erläutert mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Clavierspieltechnik / herausgegeben von F.B.." Breitkopf & Härtel. Leipzig-Berlin-Brüssel-London-New York, 1894, S. 2f. 18Siehe Beispiel Nr. 7. 17

31

Carl Czerny:19



NBA:



Bei der rhythmischen Änderung zur Erleichterung der Spieltechnik, wie bei Czerny, wo die Sechzehntelpause das Spiel der Zweiunddreißigstel-Figur in der Baßstimme erleichtert, und der rhythmischen Inkonsequenz von Takt 21 der Fuge C-Dur BWV 846 (Bsp. 8.1) bei der Methode von Adam, die auf die unterschiedliche Leseart der Abschriften zurückzuführen ist, kann man ein historisches Bild zur Rezeption der Klavierwerke von Bach in den Klavierschulen des 19. Jahrhunderts beobachten. Czerny versucht eine Steigerung der Klaviertechnik durch das Virtuosentum20 und Adam verändert den Text, indem er die rhythmische Figur des Themas (T. 1) aufnimmt

, um sie an dieser Stelle zu

erhalten. Bsp. 8.1. Fuge C-Dur BWV 846, Takt 21: Louis Adam:21

 NBA:



Bsp. 9: Praeludium I, C-Dur BWV 846, Takte 20-24: F. Busoni:22

 Interessant ist bei Busoni zu beobachten, an welchen Stellen er solche rhythmischen Veränderungen im Text vornimmt. Man kann beobachten, daß er nicht nur eine Steigerung der Klavier-legato-Technik der Spielprobleme in Betracht zieht, sondern eine Vielfalt an spielerischen Experimenten und eine Erweiterung der Möglichkeiten auf dem Klavier versucht.23 19

Czerny, Carl: "Die Kunst des Vortrags der älteren und neueren Klavierkompositionen", Wien 1846, S. 148. 20 Siehe Kapitel 2. 3. "Zur Geschichte der Frühen Klavierschulen". 21Adam, Louis: "Methode de Forte Piano", Paris 1804. 22 Ferruccio Busoni: "Das Wohltemperirte Clavier / von Johann Sebastian Bach./ Bearbeitet, erläutert mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Clavierspieltechnik / herausgegeben von F. B.." Breitkopf & Härtel. Leipzig-Berlin-Brüssel-London-New York, 1894, S.4,T.20-23. 23 Siehe Beispiel Nr. 7.

32

Martin Frey verkürzt in seiner "Schule des polyphonen Spiels"24 die Takte, ohne die Notenwerte zu diminuieren: BWV 927, 937: 4/4  2/4 BWV 824, 784: 4/4  4/8 BWV 961:

12/8  6/8

Dasselbe Verfahren wendet August Halm25 an: BWV 855: 12/8  6/8 BWV 781: 3/4  9/8 Die Invention (Nr. 10 BWV 781) erhält durch seine Bezeichnung 9/8 = 3/4 triolischen Charakter. 3.1.2. Melodische Veränderung Zu melodischen Veränderungen zählen Neubildungen von Figuren, Umbildungen und Weiterführen von Stimmen (insbesondere von Baßstimmen), Bereiche, die gleichzeitig mit harmonischen Veränderungen zusammenfallen können. Weiterführung bzw. Neuformierung von Figuren. Zur Bildung einer Sequenz nach klassischen Vorbild läßt Hummel die Takte 42/43 der Fuge cis-Moll BWV 849 ändern: Bsp. 10. Fuge cis-Moll BWV 849, Takte 42/43: J. N. Hummel:

 NBA:



Abweichungen einzelner Takte von Baßstimmen treten häufig auf, durch Vergleiche kann in einigen Fällen festgestellt werden, inwieweit diese den Verfassern der Schulen vorgelegen haben oder dem Geist des Verfassers entsprungen sind. Da, wie am Beispiel der Polonaise aus der "Französischen Suite" BWV 817 zu ersehen ist, mehrere Schulen dieselben Abweichungen beinhalten, läßt sich der Schluß ziehen, daß dieselben Quellen als Vorlage gedient haben und absichtliche Änderungen oder Druckfehler nicht in Betracht kommen können. Diese Suite hat keine großen Veränderungen erfahren, sie ist erst relativ spät entstanden.26 24Frey,

Martin: "Schule des polyphonen Spiels", Leipzig 1910. August: "Klavierübung. Ein Lehrgang des Klavierspiels nach neuen Grundsätzen - zugleich erste Einführung in die Musik. Band I: Vom ersten Anfang bis zu Beethovens leichteren Variationen und Bach Kleine Präludien und Inventionen. Stuttgart 1908-1918. 26 Dürr, Alfred: Neue Ausgabe Sämtlicher Werke von Johann Sebastian Bach. Kritischer Bericht, Serie V Band 8: "Die Sechs Französischen Suiten". Bärenreiter Kassel [u.a.], 1982, S.74.. 25Halm,

33

Bsp. 11. Polonaise aus BWV 817, Takt 2: Uso Seifert27, Noatzsch28, Frey29:

 

NBA:

An dieser Stelle werden Beispiele eingefügt, wie durch melodische Veränderungen der harmonische Ablauf beeinflußt werden kann: Bsp.12. Präludium d-Moll BWV 851, Takt 14: Fetis-Moscheles30:

 NBA



Fétis-Moscheles benutzt in Takt 14 für die drei ersten Triolenrhythmen melodische Figuren. Der G-Schlüssel (Violinschlüssel:  ) ab der vierten Triole wechselt zu einem F-Schlüssel (

 ), und an dieser Stelle kann man die melodischen Veränderungen beobachten. Bei der

ersten Note des dritten Schlages von Takt 14 nimmt er einen Ton »d'« und nicht den Ton »h«, wo die fünfte Triole beginnt. In dieser Figur verändert er den letzten Ton »d'« ebenfalls zu einem »h«. Auch im vierten Schlag dieses Taktes übersieht er das Auflösungzeichen ( ) bei Ton e, das die NBA deutlich zeigt. Besonders interessant ist es zu beobachten, daß sich auch mit dieser letzten melodischen Veränderung die harmonische Struktur verändert, weil im vierten Schlag dieses Taktes der Dominantseptakkord der d-Moll Tonart stehen soll und dieser Akkord hat keinen Ton »es«. Durch die Veränderungen der Oktavverdoppelung des Grundtones versucht Carl Czerny den Klang des Klaviers als eine Steigerung der Klaviertechnik durch das Virtuosentum und auch als eine Erweiterung der Möglichkeiten auf dem Klavier zu benutzen. In den folgenden drei Beispielen zeigt Czerny seine Intention durch diese Veränderung des Grundtones der melodischen Linie. Im Beispiel Nr. 13 beginnt die Oktavverdoppelung mit den Sechzehntelnoten der melodischen Figur von Takt 25, eigentlich bis zum Ende des Stückes. Er beginnt mit einem »f« und durch die aufsteigende Bewegung der melodischen

27Seifert,

Uso: Kavierschule und Melodienreigen", Leipzig Ende 19. Jahrhundert, S. 215. Richard: "Praktische Formenlehre des Klavierspiels", Leipzig 1908, S. 28. 29Frey, Martin: "Schule des polyphonen Spiels", Bd. 1, Leipzig 1910., S. 32. 30Fétis, F.J. & Moscheles, I.: "Metodo dei metodi di pianoforte", Mailand 1841, S.106. Méthode des Méthodes, 1837. Die vollständigste Schule oder die Kunst des Pianofortespiels. Berlin. 28Noatzsch,

34

Linie erreicht er die »ff« im dritten Schlag von Takt 25, genau da, wo das Hautpthema der Fuge zum letzten Mal vorgestellt wird. Bei Beispiel 14 setzt Czerny in den drei letzten Takten der Fuga die Oktavverdoppelung des Grundtones der Baßstimme, hier charakterisiert das »ff« seine Interpretation der Schlußkadenz der Fuge. Bsp. 13. Fuga II a 3 Voci, BWV 847, Takte 25-29:

 NBA



Bsp. 14:Fuga V a 4 Voci, BWV 850, Takte 25-26:

 NBA



Bsp. 15. Fuga XV, a 3 Voci, BWV 860, Takt 83:

 NBA



Bei Beispiel Nr. 15 steht die Oktave in der ersten punktierten Viertelnote der Baßstimme, im ersten Schlag von Takt 83 bei Ton »G«, genau an der Stelle, wo Czerny die Abstufung der Tonstärke »sF« (sforzato) geschrieben hat. Bei diesem Beispiel ist ein interessanter Punkt zu beobachten: die "sF"- und "dimin. e rallent."-Zeichen werden als dymanische Mittel des Klavierausdrucks

von

Czerny

benutzt.31

Diese

Änderungen

von

Czerny

als

Klangverstärkung in seiner Ausgabe des Wohltemperierten Klaviers sind ein Zeichen seiner Zeit.32 So kann man sagen, daß die Veränderungen stets ein Spiegel des Zeitgeschmacks sind und ein Anpassen der Stücke an die Bedürfnisse der Schüler, wie die Beispiele zeigen. 3.2. Phrasierung und Artikulation.

31

Siehe: 3.3 "Dynamik". Kapitel 2.3 "Zur Geschichte der Frühen Klavierschulen" und die Fußnote Nr. 17

32Siehe

35

Den zahlreichen Hinweisen auf ein "gebundenes Spiel"33 im 19. Jahrhundert stehen die durchgesehenen Schulen dieser Zeit gegenüber, deren sparsame Bezeichnung sich mehr auf die Artikulation von Motiven bezieht. Dies wird von Joseph Fischhof durchbrochen, der großzügige Phrasierungsbögen bevorzugt.34 Wenn Clementi oder Griepenkerl phrasieren, dann nur in kleinen Einheiten, aber doch gibt es zwischen beiden Unterschiede. Bsp. 16. Polonaise aus der "Französische Suite" BWV 817, T.1-4: Clementi:35 Andante

 Griepenkerl:36 Allegretto gracioso

 NBA (A):37

¡Error! Marcador no definido.  NBA (B):38

 Die Unterschiede in den ersten beiden Beispielen liegen in dem Bindebogen des Motivs der Zweiachtelnote und der Ornamentik (Doppelschlagzeichen - cadence:

)39

in

der

Halbnote in Takt 2 von Griepenkerl, anstatt eines Trillos und eines unbezeichneten Motivs wie bei Clementi.40 Auch in den beiden NBA-Fassungen41 findet man bedeutsame 33J.

N. Hummel, in: "Ausführliche theoretisch-practische Anweisung zum Piano-Forte-Spiel, vom ersten Elementar-Unterrichte an, bis zur vollkommensten Ausbildung", Zweiter Theil, Zehntes Kapitel, Seite 379: "Von der Stimmen-Vertheilung und Finger-Ordnungs-Lizens beim gebundenen Styl. 1827, Wien. Lebert-Stark: "Große theoretisch-praktische Klavierschule" Stuttgart 1858, Kap. XIX. 34Fischhof, Joseph: "Classische Studien für das Piano-Forte", Wien 1848 35Clementi, Muzio: "Clementi's vollständige Klavierschule", Wien 1815, S. 72. 36 Französische Suite BWV 817 von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed. C. F. Peters. ca. 1835, S. 51f. 37 Fassung A: "Ältere Gestalt nach Altnickols Überlieferung". 38 Fassung B: "Jüngere Gestalt, verzierte Fassung". 39 Das "Clavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach" und seine Bedeutung für die Ornamentik: J.S.Bach: "Explication unterschiedlicher Zeichen, so gewisse Manieren artig zu spielen andeuten". Siehe dazu Alfred Kreutz, "Die Ornamentik in den Klavierwerken Bachs, Beiheft zu der von Kreutz hrsg. der Englischen Suiten (Ed.Peters Nr.4580). 40

Siehe: 3.5. Ornamentik. Die Fassung A ist der Abschrift der Bachschülers und -schwiegersohnes Johann Christoph Altnickol. Die Fassung B ist der Abschrift von Johann Caspar Voglers. Dürr, Alfred: Neue Ausgabe Sämtlicher Werke von Johann Sebastian Bach. Kritischer Bericht, Serie V Band 8: "Die Sechs Französischen Suiten". Bärenreiter Kassel [u.a.], 1982, S.VI. 41

36

Unterschiede. In der Edition der Neuen Bach-Ausgabe (NBA) wird beschrieben, daß "die Überlieferung der Französischen Suiten (BWV 812-817) eine verwirrende Vielfalt zeigt. Nicht nur die Anordnung der Suiten und Suitensätze differiert gerade in den wichtigsten Quellen mehrfach, auch die Lesarten unterscheiden sich weitgehend voneinander."42 In der NBA-Fassung "A" bleiben die ersten zwei Takte unbezeichnet, und im dritten Takt findet man keine Bindebogen in der ersten Zweiachtelnote der melodischen Figur der sechs Achtelnoten, wie dies bei Clementi, Griepenkerl und der NBA-Fassung "B" der Fall ist. In Takt 4 setzen weder Clementi noch die NBA-Fassung "A" und "B" einen Bindebogen für die ganze rythmisch-melodische Figur, wohl aber Griepenkerl. Was die Artikulation der Suite 6, BWV 817, angeht, sind die Bogen "wie üblich, meist ungenau gesetzt".43 Die Verzierungen bei diesen Beispielen wird weiter vorn im Teil 3.5 , behandelt werden, obwohl es wichtig ist, hier darauf hinzuhinweisen, was die NBA zu diesem Aspekt erwähnt: "Die Ornamentensetzung ist in den meisten Quellen so willkürdich, daß eine verläßliche Rekonstruktion der Bachschen Bezeichnung nicht gegeben werden kann. ... Unentschieden bleiben muß dabei die Frage, ob wir es hier mit einem praxisfernen Extremfall zu tun haben, der als bloße Schülerübung für heutige Aufführungen keine Verbindlichkeit besitzt, oder ob eine derartig reiche Bezeichnung vielleicht die Art überliefert, in der Bach selbst seine Suiten beim Spiel improvisatorisch auszuzieren pflegte".44 In Beispiel 17 ist Clementi sparsamer in seinen Bezeichnungen als Griepenkerl, wie man in Takt 3 sieht. Griepenkerl verwendet in diesem Takt einen Bindebogen mit den dynamischen Zeichen "cres." bis "mf", während bei Clementi alles unbezeichnet bleibt. Bsp. 17: Menuet aus der "Französischen Suite" BWV 817, T. 1: Clementi: Allegretto.

 Griepenkerl: moderato.

 NBA

42



Ebda. Alfred (Hrsg.): Neue Ausgabe Sämtlicher Werke von Johann Sebastian Bach. Kritischer Bericht, Serie V Band 8: "Die Sechs Französischen Suiten". Bärenreiter Kassel [u.a.], 1982, S.111f. 44Dürr, Alfred (Hrsg.): Neue Ausgabe Sämtlicher Werke von Johann Sebastian Bach. Serie V Band 8: "Die Sechs Französischen Suiten", BWV 812-817 [u.a.]. Bärenreiter Kassel [u.a.], 1980, S.V-VI. 43Dürr,

37

Eine weitere Phrasierung wird dem Lehrer überlassen, während Fischhof, z. B., dem Schüler mittels einer durchgehenden Bezeichnung keinen Freiraum läßt. Im Vorwort zu seinen "Classischen Studien" betont er die stützende Absicht seiner Dynamik Phrasierungsvorschläge. Er setzt die Bezeichnung »mf« an den Anfang und kennzeichnet die melodische Linie mit »sempre legato«: Bsp. 18: Joseph Fischhof:45 Allemande - "Partita II" BWV 826

 mf

sempre legato

Bsp. 19: C. Czerny, Fuga I, BWV 846, T. 1-2: Moderato e maestoso ( = 116)

 Piano sempre legato

Bsp.20. F. Busoni: Moderato, quasi Andante.

 Der Vergleich der Dynamik46-Phrasierungsvorschläge zwischen Czerny und Busoni ist besonders interessant in der Fuge BWV 846 (C-Dur). Busoni verwendet einen Bindebogen mit Noten im Portato und in "mf" für die melodische Linie des Themas in Takt 1, die in der ersten Achtelnote des 2. Taktes endet. Nicht so Czerny, der an der gleichen Stelle den Vorschlag macht, daß man mit "piano" und "sempre legato" spielen sollte, bis die melodische Linie des Themas in Tackt 1 endet und weiter mit einem Akzent für die Synkope im Ton g' gespielt werden sollte. Beide lassen durch solche Bezeichnungen auch keinen großen Freiraum, etwas anderes zu machen, als das, was sie vorgeschlagen haben. Unter Phrasierung - im Gegensatz zu Artikulation - ist die Sinngliederung zu verstehen, die in der Wortsprache durch die Interpunktionen: Punkt, Strichpunkt, Komma usw. geschieht. Die Gliederung im Großen ist in der Musik durch die Sätze einer Suite oder Sonate, durch die zu wiederholenden Teile von Tanzsätzen usw. klar gegeben; die Gliederung im Kleinen ist aber in der Musik schwieriger zu erfassen, da, besonders in polyphoner Musik, die gedankliche Abgrenzung nicht immer so sicher feststeht. Ein gutes Beispiel dafür, wie der Anfang des ersten Präludiums des Wohltemperierten Klaviers II von den Klavierschulen gegliedert wurde, bieten folgende Takte. 45Fischhof, 46

Joseph: Classische Studien für das Piano-Forte, Heft 9, Wien 1848, S.3. Siehe: 3.3. "Dynamik".

38

Bsp. 21. Präludium I in C-Dur BWV 870, Takte 1-2: Carl Czerny: Andante sostenuto  = 108

 Ferruccio Busoni: Allegro maestoso.

 Jede dieser beiden Möglichkeiten des ersten Präludiums des Wohltemperierten Klaviers Teil II und der Fuga II BWV 847, von verschiedenen Herausgebern gewählten Abgrenzungen war möglich, Beispiele dieser Art ließen sich in zur Rezeption der Klavierwerke von J. S. Bach in Klavierschulen des XIX. Jahrhunderts bis Anfang des XX. Jahrhunderts. beliebig vermehren. Noch häufiger ist in der polyphonen Musik der Fall, daß Anfang und Ende einer Phrase zusammenfallen; Bachs Melodik bekommt gerade von dieser beständigen Phrasenverkettung ihren großen Zug, ihre nie abreißende Spannung. So besteht z. B. das Thema der es-Moll-Fuge des Wohltemperierten Klaviers aus zwei verketteten Phrasen: das Ende der ersten Phrase, die im dritten Schlag von Takt 2 mit einer viertel Note in Ton e´ endet, ist genau der Anfang der zweiten Phrase des Haupthemas der Fuge: Bsp. 22 Fuga VIII (à 3 Voci), BWV 853:

 Wenn man Schweitzers47 oder Mottas48 Ausführungen zur Phrasierung als Grundlage für den Geschmack der Jahrhundertwende nimmt, so wird ein Ein- und Zuordnen erleichtert. Denn ihre Merksätze erweisen sich als hilfreich und belegen gleichzeitig, daß sich seit dieser Zeit in den Klavierschulen kaum eine Weiterentwicklung abgespielt hat. Grundsätze, wie in schnellen Sätzen kleine Bögen, in langsamen Sätzen größere, um der sanglichen Komponente Ausdruck zu geben, scheinen allgemeingültig geworden zu sein. In der Folge werden die wichtigsten Grundsätze vorgestellt und mit Beispielen durch die Zeit auf ihre Allgemeingültigkeit untersucht. In längeren

 und  Passagen verlangt Joseph Fischhof, wie im Beispiel 23 oder Ferruccio

Busoni, wie im Beispiel 24 ein Legato und schließt ein Staccato aus:

47 48

Schweitzer, Albert: "J.S.Bach", Wiesbaden 1908, S. 319. Motta, Vianna da: "Zur Pflege Bachscher Klavierwerke", in NzfM 1904, S. 678.

39

Bsp. 23: Joseph Fischhof:49 Passepied I, BWV 810 T. 38-40:

 Bsp. 24: Ferruccio Busoni: Fuga I, BWV 846, T. 1-2,

 In diesen Passagen muß nicht unbedingt die erste Note der Linie der Beginn eines Bogens sein.50 In den folgenden Beispielen der Linie kann der Beginn eines Bogens zwei Bedeutungen haben. Bei Busoni bezieht sich der Bindebogen auf die Artikulation von Motiven wie in Takt 13 der Fuga 1 (BWV 846), aber bei Breithaupt ist der Bogen für die Anweisung ein Auftakt der melodischen Figur, wie man in Takt 29-30 des Präludiums in d-Moll (BWV 926) sehen kann. In beiden Beispielen hat die NBA keine Bezeichnung: Bsp. 25. Fuga I, BWV 846, Takt 13: Ferruccio Busoni:

 Bsp. 26. Präludium d-Moll, BWV 926, Takte 29-30: Breithaupt:51

 NBA:  52

Bsp. 27. Fuga III in cis-Moll, BWV 848, Takte 1-4: Czerny:

 NBA:  Czerny setzt einen Akzent unter einen Bindebogen und kontrastiert zwischen legato und Staccato als eine pianistische Mittelform, was wieder als eine Steigerung der Klaviertechnik durch das Virtuosentum und als eine Erweiterung der Möglichkeiten auf dem Klavier betrachtet werden kann. 49Fischhof,

Joseph: "Classische Studien für das Piano-Forte", Heft 15, Wien 1848, S. 7. Schweitzer, Albert: "J.S.Bach", Wiesbaden 1908, S.322. 51 Breithaupt, R.M.: "Die natürliche Klaviertechnik", Bd.3, Heft 5, Leipzig 1912, S.30. 52 J.S.Bach: "6 kleine Präludien / (aus dem Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach)", [Nr.2, BWV-926]. 50

40

Jede Unterbrechung einer gleichmäßigen Bewegung aus der Bindung heraus soll Staccato bzw. non-legato ausgeführt werden53: Bsp.28. Fuga I, BWV 846, Takte 7-9: F. Busoni:

  Bsp. 29. Menuett BWV Anhang 116, T. 1-2: Gustav Götze:54

 Weil man gleichförmiges Legatospiel als unzulässig empfindet, fordert man eine Gliederung sowie Betonung innerhalb einer Linie.55 Breithaupt setzt einen Legato-Bindebogen von Anfang bis Ende des Taktes und betont die erste, die siebte und die dreizehnte Zweiunddreißigstelnote; diese Töne sind Höhepunkte der melodischen Linie. Bsp. 30. Präludium in B-Dur, BWV 866, T. 12: Breithaupt:

 Besonders

 Bewegungen werden aus dem gleichförmigen Legatospiel ausgeschlossen.56

In cantablen Sätzen wird dieses dennoch in den Schulen aufrecht gehalten: F. Busoni arbeitet in der Fuga IV (BWV 849) ganz intensiv mit solchen Betrachtungen, und detailliert durch verschiedene Zeichen (Staccato, non-legato, usw.) die Phrasierung der melodischen Linien, ebenso wie die Sinngliederung in der Wortsprache durch die Interpunktionen geschieht:57 Bsp. 31: Fuga IV, (BWV 849), T. 60-61:

 53

Schweitzer, Albert: "J. S. Bach", Wiesbaden 1908, S. 345. Götze, Gustav: "Klavierschule", Bd. 2, Braunschweig 1908, S. 49. 55 Breithaupt, R.M.: "Die natürliche Klaviertechnik", Bd. 3, Heft 2, Leipzig 1912, S.102. 56Schweitzer, Albert: J.S.Bach, Wiesbaden 1908, S.342. 57 Siehe Bsp. 44. 54

41

3.2.1. Artikulation Die Artikulation bestimmt den Ausdruck einer melodischen Linie, d.h. es gibt mehrere Möglichkeiten

der

Artikulation:

eine

vielseitige

Ausdrucksskala,

die

durch

die

Bezeichnungen legato, portato, non legato, Staccato nur ziemlich grob umrissen werden kann. "Im legato ist die äußere Bindung Symbol der inneren",58 z. B.: C. Czernys Artikulation in Fuga V (à 4 Voci) in D-Dur, BWV 850, oder Fuga VI, (à 3 Voci) in d-Moll, BWV 851, T.1-2: Bsp. 32. Fuga V (à 4 Voci) in D-Dur, BWV 850, T. 1-2:

 Bsp. 33: Fuga VI, (à 3 Voci) in d-Moll, BWV 851, T. 1-2:

 Piano ( P ) legato

Das Staccato ist Charakteristikum der Ungebundenheit (wie z.B. Czernys Artikulation in Fuga II [a 3 Voci] in c-Moll BWV 847) und kann daher entgegengesetzte Gefühle ausdrücken. Wie man sieht, spielen die Intervalle auch dabei eine Rolle: einem stufenweisen Fortschreiten von Ton zu Ton ist das legato am meisten angemessen; ein "Sprung" wird in der Regel im Staccato räumlich überwunden, für kleinere Intervalle, wie Terz oder Quart, zieht man häufig das portato vor:59

Bsp. 34: Ferruccio Busoni, Praeludium IV in cis-Moll, BWV 873, T. 1-2:60

  Für manche Themen, vor allem, wenn Tonleiterschritte verwendet werden, ist legato angegeben (Czerny, Fuga VI BWV 851 oder Griepenkerl in der ersten dreistimmigen Invention BWV 787); enthalten sie außerdem größere Intervalle, wie das Thema der ersten Fuge des Wohltemperierten Klaviers I, so werden diese am besten portato gespielt (so wie

58

Keller, Hermann: "Die Klavierwerke Bachs", Edition Peters, Leipzig 1950. S.31. "Erst eine "lebendige Artikulation" gibt einer Bachschen Linie die richtige Kontur: daher ist der Ausdruck eines Bachschen Themas häufig weniger davon abhängig, ob Andante oder Allegro, piano oder forte gespielt wird, als von der Artikulation", S.31. 60 und in Fuga I, (a 4), in C-Dur, BWV 846, T. 1-2 (Busoni-Ausgabe). 59Ebda.

42

in der Busoni-Ausgabe die Fuga I, BWV 846). Für Themen in langen Notenwerten (cis-MollFuge des Wohltemperierten Klaviers I bei F. Busoni) eignet sich das portamentierte legato. Vorhaltsauflösungen sind, nach Czerny, fast stets legato zu nehmen (deutlich ist die h-MollFuge des Wohltemperierten Klaviers I): Bsp. 35: C.Czerny, Fuga XXIV in h-Moll (a 4 Voci), BWV 869, T. 9-10:

  NBA:

  Eine pathetische Deklamation, wie im Thema der a-Moll-Fuge in BWV 889, verlangt ein schwer betontes, martellatoartiges Staccato: Bsp. 36. bei C. Czerny Fuga XX in a-Moll (a 3 Voci), BWV 889, T 1-2:

  Demgegenüber benötigt die leichte Federung der zweistimmigen Invention in F-Dur ein deutliches Staccato. Bsp. 37: Griepenkerl, 15 Inventions à 2 voix, BWV 779, T. 1-3:61 Vivace. ( = 144)

 NBA:

 In diesem Beispiel kann man verschiedene Vortragsbezeichnungen der Artikulation beobachten: "Staccato und legato" als Kontrast der pianistischen Verwirklichung zwischen beiden melodischen Linien (s. Bsp. 27, 38 und 38.1) sowie dynamische Elemente62 wie ein "crescendo" für die aufsteigende Bewegung der melodischen Linie im "Staccato" (wie z.B.

61Klavierwerke:

"15 Inventions à 2 voix" (BWV 772-786) von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed.C.F. Peters. ca. 1835. 62 Siehe: 3.3."Dynamik".

43

T.1 u. 3) oder einen Akzent in der ersten Note der melodischen Linie im "Legato" (f"). Solche Vortragsbezeichnungen sind charakteristisch für die Klavierschulen jener Zeit. Dies zeigt sich in den Schulen von Czerny, Griepenkerl und Busoni u.a., die die Musikwerke von Johann Sebastian Bach im 19. Jahrhundert als eine Ausdrucksmöglichkeit des Klaviers zur Erweiterung der Musiktexte und der Wiedergabe des Musikgeschmacks ihrer Zeit angesehen haben. Die Sexten im Thema der Cis-Dur-Fuge Nr. III (BWV 848) klingen je nach der Artikulation "elegant", "schmeichlerisch" oder "scherzhaft",63- es gibt viele Möglichkeiten. In diesen Beispielen bieten die Veränderungen der Tonstärke von Czerny und Busoni zwei Möglichkeiten an, das Thema der Fuge zu spielen, in beiden Versionen mit einer sehr detallierten Vortragsbezeichnung, wobei dem Schüler oder Klavierspieler keine andere Wahl gegeben wird, das Thema zu spielen. Czerny beginnt mit "piano"(leise) aber Busoni mit "mp", "sempre distintamente il ritmo" und mehr noch mit einem Hinweis für den Vortragscharakter des Themas: "Anfangs mit ruhiger Anmuth; dann mehr und mehr steigern". Über die Artikulation des Themas der Fuge in Cis-Dur bezieht sich Busoni auf die Artikulation von Motiven: die erste Achtelnote g' steht im Staccato, die nächste Sechzehntelnotengruppierung im legato bis zu der Achtelnote e", deren Gruppierung im Staccato weitergespielt werden soll. An dieser Stelle hat die Czerny-Fassung einen großen Bindebogen, wobei legato für die melodische Linie angegeben wird und eine portato- oder tenuto-Bezeichnung in der ersten Sechzehntelnotengruppierung bei Ton a' sowie ein Akzent in der Achtelnote g', dem ersten Schlag von Takt 2. Im zweiten Takt, wo Czerny Noten im Staccato setzt, gebraucht Busoni Noten mit Akzent oder ÜberStaccato, die äußerst energisch und abrupt hervorgestoßen gespielt werden sollen. Bsp. 38. Fuga III in Cis-Dur, BWV 848, Takte 1-3: C. Czerny:

 F. Busoni:

 Diese Beispiele geben ein historisches Porträt darüber, wie im 19. Jahrhundert Klaviermeister wie Czerny und Busoni die Rezeption der Bachschen Musikwerke an Schüler oder Klavierspieler weitergegeben haben. Czerny und Busoni waren Vermittler in der Entwicklungsgeschichte der Pianistik, und Czerny kannte und besaß zum Beispiel alle alten und neuen Schulen größtenteils auch selber64. Die Klavierschulen Czernys und Busonis 63

Keller, Hermann: "Die Klavierwerke Bachs", Edition Peters, Leipzig 1950. S.31. an Carl Friedrich Peters von 25.12.1823; zit. nach Grete Wehmezer, Carl Czerny und die Einzelhaft am Klavier oder Die Kunst der Fingerfertigkeit und die industrielle Arbeitsideologie, Kassel, 64Brief

44

sind also nicht lediglich 'eine unter vielen', sondern in gewisser Weise, für beide gültig im 19. Jahrhundert, auch 'zwei für viele'.65 Carl Czerny hat, zum Beispiel, die c-Moll-Fuge II des Wohltemperierten Klaviers I, (BWV847) mit durchgehendem Staccato, im Stil eines Scherzos von Beethoven, artikuliert. Nach Dadelsen

sind

Vortragsbezeichnungen

und

andere

Veränderungen

eine

"sehr

aussagekräftige Seite des jeweiligen Musikstils ":66 Bsp. 39. Fuge II (á 3 Voci) in c-Moll, BWV 847, Takte 1-3: Czerny

 In diesem Beispiel haben die ganzen melodisch-rhythmischen Figuren des Hauptthemas der Fuge, vom ersten Takt bis zum dritten Schlag des zweiten Taktes, in jeder Note eine Staccato-Bezeichnung. Die Reihe dieser Staccato-Figuren endet auch mit einem Akzent in Ton a', wo eine Viertelnote mit Synkope steht. In der NBA gibt es keine Bezeichnungen für diese Noten. Bach hat in den Klavier- und Orgelwerken die Artikulationsangaben zurückhaltender gesetzt als in den Werken für Streich-und Blasinstrumente. Der Grund dafür könnte sein, daß die Entwicklung genauerer Artikulationsvorschriften bei diesen Werken von der Notwendigkeit des Bogenwechsels auf den Streichinstrumenten ausgeht. Die Klavierspieler entnehmen die Artikulation dem Vorbild der Geiger.67 Bach hat demnach in vielen genau bezeichneten obligaten Instrumentalstimmen seiner Kantaten und in seiner Kammermusik Anhaltspunkte gegeben, wie die Klavier- und Orgelwerke artikuliert werden können.68 Meist endet der Bogen mit der Balkung, wo der folgende Ton noch einbezogen werden kann: Bsp. 40: 15 Inventionen à 2 voix, BWV 780, T. 1: Griepenkerl

Basel, London u. Zürich 1983, S.86. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch Czerny Tätigkeit als Übersetzer bzw. Bearbeiter zweier älterer Schulwerke von Rang. Czerny besorgte die 1826 erschienene deutsche Ausgabe der Méthode de pianoforte (Paris 1802) von Louis Adam, der ersten Klavierschule des Pariser Konservatorium und der ersten ausgesprochenen Virtuosenschule für Klavier; außerdem redigierte er die Klavier- und Fortepiano-Schule (Jena 1804) des Thomaskantors August Eberhard Müller, die in Czerny Bearbeitung als 8. Auflage (Leipzig 1826) unter dem Titel Grosse Pianoforte-Schule erschien. (Müllers Schule ihrerseits ist die 6.Aufgabe der von ihm bearbeiteten Clavier-Schule von Georg Simon Löhlein, deren beide Bände erstmals 1765 und 1781 in Leipzig und Züllichau gedruckt wurden). 65Siehe

Kapitel 2.3: "Zur Geschichte der Frühdrucke und Frühen Klavierschulen". Dadelsen, Georg von: "Über Bach und anderes", Aufsätze und Vorträge 1957-1982. Laaber-Verlag 1983. S. 98. 67 Ebda. 68Auch in autographen Niederschriften der Klavierwerke finden sich an einigen wenigen Stellen Bogen, leider aber häufig ungenau und nicht sicher abzugrenzen (zweistimmige Invention D-Dur [BWV 774]): J.S.Bach, "Neue Ausgabe Sämtlicher Werke" (NBA), Herausgegeben vom JohannSebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig / Serie V:Klavier- und Lautenwerke Band 3. Inventionen und Sinfonien Hrsg. Georg von Dadelsen. Bärenreiter Kassel-Basel-ToursLondon, 1970, Zur Edition,VIII und S.8f.) 66

45

 NBA:

 Da der Geiger auf "g" den Bogen wechseln würde, kann auch der Klavierspieler diesem Ton eine gewisse Selbständigkeit geben, ohne ihn merklich von den vorhergehenden zu trennen.69 Bsp. 41. F.Busoni 70, Praeludium IV cis-Moll, BWV 849, T. 1-2:

 Albert Schweitzer betont, zum Beispiel, die Häufigkeit der Gruppierung71:



sie tritt von Clementi bis Noatzsch auf. Würde dieses Motiv unter einen Bogen gestellt:

 -, verlagerte sich der Akzent auf die erste Note, somit würde der Spielfluß innerhalb dieses Motivs sich ändern. Durch ein kürzeres Nehmen der zweiten und vierten Noten, wie es auch Schweitzer verlangt, erhält diese Gruppierung einen leichten, spielerischen Charakter. Bsp. 42. Polonaise aus der "Französischen Suite", BWV 817, T. 3: Clementi72: Czerny, Griepenkerl



und Roitzsch:73



Noatzsch74:



Unschlüssigkeit herrscht in der Ausführung von 75

Schweitzer und Motta differieren. Schweitzer gruppiert sie bzw.

Gruppierungen,

in

der

,

, Motta warnt vor großzügigen Wechsel: "Hauptprinzip muss hier auch sein:

kein buntes Wechseln, sondern große Linien".76

69

Keller, Hermann:"Die musikalische Artikulation", Bärenreiter-Verlag, Kassel 1925. Ferruccio Busoni: "Das Wohltemperirte Clavier / von Johann Sebastian Bach./ Bearbeitet, erläutert mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Clavierspieltechnik / herausgegeben von F.B.." Breitkopf & Härtel. Leipzig-Berlin-Brüssel-London-New York, 1894, S.4,T.20-23. 71Schweitzer, Albert: "J. S. Bach", Wiesbaden 1908, S. 321. 72Clementi, Muzio: "Clementi's vollständige Klavierschule", Wien 1815. S.62. 73 Klavierwerke: "Französische Suite BWV 817 von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed. C. F. Peters. ca. 1835, S. 51. 74Noatzsch, Richard: "Praktische Formenlehre der Klaviermusik", Leipzig 1908. S.71. 75Schweitzer, Albert: "J.S.Bach", Wiesbaden 1908, S.340. 76Motta, Vianna da: "Zur Pflege Bachscher Klavierwerke", in: NzfM 1904, S.679. 70

46

Charakteristische oder weit auseinanderliegende Intervalle werden vielfach getrennt: Bsp. 43. Menuet aus den Französischen Suiten BWV 817, T. 13-14, Clementi77: oder Czerny, Griepenkerl und Roitzsch:78

 

Clementi beendet in diesem Beispiel den Bogen, wo der folgende Ton (d") noch einbezogen werden könnte. Bei diesem Ton zeigt die andere Fassung einen Akzent, wie er notwendig wäre, d.h. einen hörbaren Schwerpunkt bzw. noch einen Akzent auf den ersten Taktschlag zu legen. Clementi übernimmt die Tradition, in der der Interpret eines Streichinstrumentes auf d" den Bogen wechseln würde. Czerny, Griepenkerl und Roitzsch benutzen wieder die Bezeichnungen der Dynamik des Klaviers, nicht nur einen "Akzent" sondern "Forte" (T. 13) und durch ein legato mit "dim.", dessen Akzent in Takt 14 zu einem "Piano" in Takt 15 führt, charakterisieren sie die Intervalle der melodischen Linie. Man beobachtet auch, daß der Anfang dieser Achtelnotengruppen verschiedene Artikulationen in beiden Fassungen hat, und so der Ausdruck der melodischen Linien durch die Artikulation verschieden sein kann in den Klavierschulen des 19. Jahrhunderts. In den folgenden Beispielen sind die Vortragsbezeichnungen von Artikulation und Dynamik79 der charakteristischen Intervalle des Hauptthemas der Fuge BWV 849 (T. 94-98) unterschiedlich in der Busoni und Czerny Fassung. Busoni benutzt in einigen Teilen dieser Fuge drei Pentagramme, um die Fünf-Stimmenführung deutlich zu zeigen. Das ist eine sehr ungewöhnliche Art, dieses Stück zu präsentieren. Konsequenter mit der traditionellen Weise der Darstellung ist hier Czerny, aber er setzt Akzente bei jeder Note des Hauptthemas der Fuge, um dieses Thema von den anderen polyphonen Linien deutlich zu unterscheiden. Busoni kennzeichnet das Hauptthema mit »ben marcato« und zeigt an, welche Stimme (Sopran T. 94-96, Alt T. 95-97 und Baß T. 97-100) das Hauptthema zu spielen hat. Bsp. 44. F. Busoni,80 Fuga IV (a 5 voce) in cis-Moll, BWV 849, T. 94-98:

  77Clementi,

Muzio: "Clementi's vollständige Klavierschule", Wien 1815. S.62-63. Klavierwerke: "Französische Suite BWV 817 von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed. C. F. Peters. ca. 1835, S. 53. 79 Siehe: 3.3 "Dynamik". 80 Ferruccio Busoni: "Das Wohltemperirte Clavier / von Johann Sebastian Bach./ Bearbeitet, erläutert mit daran anknüpfenden Beispielen und Anweisungen für das Studium der modernen Clavierspieltechnik / herausgegeben von F.B.." Breitkopf & Härtel. Leipzig-Berlin-Brüssel-London-New York, 1894, S.4,T.28-29. 78

47

 Bsp. 44.1.C. Czerny:

  "Non-legato" Spiel ist besonders in Schlußfloskeln ein beliebtes gestalterisches Element, ebenso ein Absetzen vor Synkopen: Bsp. 45: Polonaise aus den Französischen Suiten BWV 817, T. 34-35: Czerny, Griepenkerl und Roitzsch:81



Dies findet sich zum Beispiel in den letzten Takten aller zweistimmigen Inventionen (BWV772-786)82 besonders bei den Inventionen Nr. 3, 4, 5, 7, 11, 12, 14 und 15. In den Inventionen BWV 774 und 775 befinden sich in dem Bindenbogen die zwei Sechzehntelnoten und die erste Achtelnote des zweiten Schlages, wo eine "Non-legato" Bezeichnung steht (entsprechende Vortragsbezeichnungen finden sich in der melodischrhytmischen Figur des dritten Schlages der Invention BWV 783). Der Unterschied zwischen beiden Inventionen im vorletzten Takt der beiden Stücke ist, daß die Invention 4 ein staccato in der letzten Achtelnote ihrer rhythmischen Figur hat. Die zwei Bindebogen des vorletzten Taktes der Inventionen BWV 778 und 782 bilden zwei rhythmische Gruppierungen, wobei die letzte Achtelnote der zweiten rhythmischen Figur im "Non-legato" vor der letzten Halbnote beider Stücke steht. Die drei Inventionen BWV 776, 785 und 786 charakterisieren sich durch ähnliche Aspekte. Der letzte Bindebogen der drei Inventionen beginnt nach einer Staccato-Note und endet mit einer "Non-legato" Bezeichnung vor dem letzten Ton jedes Stückes. Bsp. 46. Griepenkerl, 15 Inventions à 2 voix: 3. D-Dur, BWV 774: Vivace ( . = 80), 4. d-Moll, BWV 775: Allegro ( = 112), 5. Es-Dur, BWV 776: Allegro moderato ( = 108), 7. e-Moll, BWV 778: Allegro ( = 112), 11. g-Moll, BWV 782:Allegro moderato ( = 108),

81

    

Klavierwerke: "Französische Suite BWV 817 von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed. C. F. Peters. ca. 1835, S. 52. 82 Klavierwerke: "15 Inventions à 2 voix" (BWV 772-786) von J. S. Bach, herausgegeben von Czerny, Griepenkerl und Roitzsch, Ed. C. F. Peters. ca. 1835.

48

12. A-Dur, BWV 783:Allegro giocoso (. = 84)



14. B-Dur, BWV 785: Moderato ( = 88),



15. h-Moll, BWV 786: Allegro non troppo ( = 104),



Auftakte staccato zu nehmen ist nicht derart üblich wie das Absetzen von Synkopen: Bsp. 47: Carl Czerny, Fuga XV (a 3 Voci in G-Dur, BWV 860), Takte 1-4:

  Bsp. 48: Fuga XXI (a 3 Voci in B-Dur, BWV 866), T. 5-7:

 Die Vortragsbezeichnungen, die Czerny in diesen beiden Beispielen benutzt, setzen die Artikulation des Themas durch Staccatos, Legatobogen und Akzente. Die Fuga BWV 860 beginnt das Hauptthema in Takt 1 mit einer Bezeichnung staccato in der ersten Achtelnote »g'«, die nächste Sechzehntelnotengruppierung bildet eine legato-Bezeichnung bis zu der Achtelnote »a'«. Die nächste Sechzehntelnotengruppierung wiederholt die gleiche Artikulation bis zur ersten Achtelnote »h'«. Im ersten Schlag von Takt 2 steht die rhythmische Figur im staccato, im dritten Schlag dieses Taktes setzt Czerny einen Akzent, als ob es eine Synkope wäre. Die Viertelnote »c"«, die mit einem Legatobogen in der nächsten Achtelnote »h'« im ersten Schlag von Takt 3 in Verbindung steht, verschiebt den Akzent der Taktmetrik, und so wiederholt man in Takt 3 die Artikulation der rhythmischen Figur von Takt 2. Was die Artikulation der Kontrapunktlinie der Sopranstimme vom Haupthema der Fuge in B-Dur angeht, bezieht sich Czerny auf die Artikulation von Motiven: vom ersten Schlag bis zur Staccato-Achtelnote »d"« im dritten Schlag von Takt 5 setzt er einen Bindebogen, bei der letzten Achtelnote »f"« dieses Taktes steht eine Synkope. In Takt 6 stehen die Achtelnoten im staccato und auch bei der letzten Achtelnote »g"« steht eine Synkope. Daß Schritte zur Bindung neigen, steht nicht nur bei Vianna da Motta,83 sondern ist ein ungeschriebenes Gesetz, das besonders Vorhalte betrifft. Trotz dieser Gesetze wird Phrasierung individuell angewandt.

83

Motta, Vianna da: "Zur Pflege Bachscher Werke", in NzfM 1904, S.379.

49

Carl Czerny, Joseph Fischhof und Ferruccio Busoni lassen verschiedene Möglichkeiten der Ausführung ein- und desselben Werkes offen und tolerieren diese Unterschiede, wenn sie dem

Melodiefluß

nicht

entgegentreten.

In

den

folgenden

Beispielen

sind

die

Vortragbezeichnungen der Artikulation bei den verschiedenen Interpretationen deutlich zu sehen. Czerny setzt in jeder Note staccato im »pp« bis zu der Viertelnote »a'« im dritten Schlag von Takt 2. Bei dieser Note »a'« steht ein Akzent und ein Bindebogen. Bei Fischhof bilden die Bindebogen drei Gruppierungen der rhythmischen Figuren des Hauptthemas der Fuge.

Die

erste

Gruppierung

entspricht

der

zweiten

Gruppierung

durch

diese

Vortragsbezeichnung, die dritte Gruppierung beginnt im zweiten Teil des ersten Schlages des zweiten Taktes und läuft bis zum ersten Schlag von Takt 3 fort. Die Staccato- und die Akzent-Bezeichnungen der Czerny-Fassung finden sich nicht bei der Fischhof-Fassung. Busoni arbeitet intensiv mit solchen Betrachtungen, und detalliert durch verschiedene Zeichen (Bindebogen, portato, non-legato und staccato) das Hauptthema der Fuga BWV 847. Im ersten Takt erhält eine Gruppierung durch ein kürzeres Nehmen der dritten Note einen leichten, spielerischen Charakter, drei Töne sind in legato und drei in portato. Diese Gruppierung wiederholt sich in Takt 1 bis zum ersten Schlag von Takt 2. Die dritte Gruppierung hat eine kleine Variante durch die zwei Sechzehntelnoten »f'-g'« im dritten Schlag mit staccato und einem "
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