Die Encomienda

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Frederic Strohm

Die Encomienda

Modul: Seminar: LV-Leiter: Student: Matrikel: Studium: Adresse: Telefon: E-Mail: Datum:

PM Vertiefung Die europäische Expansion und die Rechte der indigenen Völker (1500 - 1800) Prof. Dr. Friedrich Edelmayer; Prof. Dr. René Kuppe Frederic Strohm MA Globalgeschichte und Global Studies, 2. Semester

27.I.2015

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ........................................................................................................................... 3 II. Die Encomienda - Theorie ................................................................................................ 4 II.1 Historischer Kontext ................................................................................................... 4 II.2 Herkunft der Institution............................................................................................... 6 II.3 Das Wesen der Encomienda ....................................................................................... 7 II.4 Die Rolle der Encomenderos ...................................................................................... 8 II.5 Funktion der Encomienda ......................................................................................... 10 III. Die Encomienda – Praxis .............................................................................................. 11 III.1 Reale Umsetzung ..................................................................................................... 11 III.2 Versklavung der Indios? .......................................................................................... 13 III.3 Reale Akteure – Genauere Betrachtung .................................................................. 15 Die Kirche.................................................................................................................... 15 Die Indigenen .............................................................................................................. 15 Die Encomenderos ....................................................................................................... 16 Die Krone .................................................................................................................... 17 III.4 Motivation der Krone .............................................................................................. 19 IV. Kritik und Reform ......................................................................................................... 21 IV.1 Leyes Nuevas .......................................................................................................... 23 IV.2 Proteste gegen die Reformen ................................................................................... 24 V. Der Rückgang der Institution Encomienda .................................................................... 25 VI. Fazit ............................................................................................................................... 28 VII. Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 30 Internetlinks (Links zuletzt abgerufen am 26.I.2015): .................................................... 32

Die Encomienda I. Einleitung

I. Einleitung Kaum ein anderer Teil der Welt wurde so durch die europäische Expansion umgeformt wie Lateinamerika. Dabei meint der Begriff „Lateinamerika“ ein diskursives Phänomen und keinen geografisch genau bestimmten, sondern vielmehr einen historisch-kulturalistisch konstruierten Raum.1 Durch den Kolonialismus wurde dieses Lateinamerika von der katholisch-barocken Kultur und den politischen Strukturen der frühabsolutistischen iberischen Metropolen geformt.2 Zu Beginn von Lateinamerikas institutioneller Struktur steht die spanisch-amerikanische Encomienda.3 Der Begriff leitet sich ab vom Verb „encomendar“, was so viel wie „anvertrauen“ bedeutet, und steht für „un derecho impantado por España en América para regular las relaciones entre españoles e indíginas“.4 Die Enzyclopaedia Britannica definiert die Encomienda vielmehr als „primary form through which Spaniards attempted to take advantage of the functioning of the indigenous world“, als „governmental grant of an indigenous sociopolitical unit to an individual Spaniard for him to use in various ways.“5 In der vorliegenden Arbeit möchte ich die historische Institution Encomienda genauer vorstellen und davon ausgehend das Vorgehen der Spanier6 in der frühesten Zeit ihres Amerika-Kolonialismus untersuchen und bewerten. Es soll die Motivation der unterschiedlichen Akteure, allen voran der Krone, der Kirche sowie der Kolonisatoren herausgearbeitet, analysiert und abschließend bewertet werden. Dabei beziehe ich mich, sofern nicht speziell angegeben, auf die Bereiche der Antillen sowie des zentralen Mexikos. Zeitlich bewege ich mich vor allem im 16. Jahrhundert, da die Encomienda hier ihre größte Bedeutung erlangte – aber auch ihr beginnender Niedergang in diese Zeit fällt. Ich bin um eine umfassende Darstellung der Institution und der Entwicklung um sie herum bemüht, beklagte sich doch der Historiker M.M. Lacas in den 1950er-Jahren, die Forscher seiner Zeit betrachteten die Encomienda einfach als „most damnable institution ever invented by

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Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Barbara Potthast: Lateinamerika 1492-1850/70. Eine Einleitung, in: dies. (Hgs.): Lateinamerika 1492-1850/70, Wien 2005, S.7-12, S.8. 2 Friedrich Edelmayer & Margarete Grandner & Bernd Hausberger: Einleitung, in: dies (Hgs.): Die Neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche, Wien 2001, S. 9-16, S. 13. 3 Mario Pastore: Government, Taxation, Coercion, and Ideology: A Comment on Yeager, in: The Journal of Economic History 58 (1998), S. 511-520, S. 511. 4 http://www.nationalgeographic.com.es/articulo/historia/actualidad/7799/las_leyes_nuevas_alegato_favor_los_indios.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 5 David Bushnell: History of Latin America, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/331694/history-of-Latin-America/60835/Indians-and-Spaniards. 6 Ich werde der Einfachheit halber durchgehend heutige Begriffe wie „Spanien“ und „Spanische Krone“ verwenden, wenn je nach behandelter Epoche zumeist das Königreich Kastilien gemeint ist.

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Die Encomienda II. Die Encomienda - Theorie ‚the grasping, cruel, heartless Spaniards‘“. Ein jeder Studierende müsse daher die Encomienda unweigerlich für „the greatest evil of the time“ halten.7 Ob das unter Umständen eine gerechtfertigte Einschätzung ist, soll nun herausgearbeitet werden.

II. Die Encomienda - Theorie II.1 Historischer Kontext Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde Amerika von einer Vielzahl unterschiedlicher Völker bewohnt, die für sich eine lange Entwicklungsgeschichte zurückgelegt hatten.8 Schätzungsweise lebten zu Beginn der spanischen Eroberung bis zu 80 Millionen Menschen auf dem amerikanischen Doppelkontinent.9 Hinsichtlich ihrer Wirtschaftsstruktur, ihrer sozialen und politischen Formen sowie ihrer Weltsicht und ihres Inventars war die indianische Bevölkerung vielfältig ausdifferenziert.10 Kastilien wiederum war bereits im späten 15. Jahrhundert eine mächtige Monarchie, insbesondere nach der Vereinigung der Königreiche von Kastilien und Aragon unter spanischer Herrschaft. Der zentralisierte Charakter des Königreiches sollte später nach Spanisch-Amerika transferiert werden, als Institutionen mit geringer wirtschaftlicher oder politischer Freiheit gegründet wurden.11 Spanien selbst ist durch Zeiten der Invasion gegangen, sah sich jeweils den Goten, Arabern oder Mauren gegenüber „and was living in a social system erected upon the priviliges of conquest“, insbesondere dem Feudalsystem.12 Bereits kurz nach der „Entdeckung“ Amerikas 1492 begann die spanische Krone mit ihrer Siedlungskolonisation, da ausgeprägte Handelsbeziehungen mit der indigenen Bevölkerung nicht möglich schienen. 1493 unternahm Columbus seine zweite, auf dauerhafte Siedlung ausgerichtete Fahrt nach Hispaniola; dieses Mal mit 1.500 Mann, darunter Leute der spanischen Krone und des Klerus.13 War die kastilische Herrschaft zunächst auf die Hispaniola beschränkt, sprang sie schnell auf andere karibische Inseln über. Schließlich unternahm Hernán Cortes von 1519 bis 1521 seinen Eroberungszug gegen die Azteken und Francisco und Gonzalo Pizarro sowie Diego de Almagro 7

M.M. Lacas: The Encomienda in Latin-American History. A Reappraisal, in: The Americas 8 (1952), S. 259287, S. 259f. 8 Jürgen Golte: Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas um 1500, in: Friedrich Edelmayer & Margarete Grandner & Bernd Hausberger (Hgs.): Die Neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche, Wien 2001, S. 41-60, S. 41. 9 Friedrich Edelmayer: Die spanische Monarchie und Amerika im 16. Jahrhundert, in: Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Barbara Potthast (Hgs.): Lateinamerika 1492-1850/70, Wien 2005, S. 39-61, S. 48. 10 Golte: Bevölkerung, S. 55. 11 Timothy J. Yeager: Encomienda or Slavery? The Spanish Crown’s Choice of Labor Organization in SixteenthCentury Spanish America, in: The Journal of Economic History 55 (1995), S. 842-859, S. 842. 12 Lesley Byrd Simpson: The Encomienda in New Spain. The Beginning of Spanish Mexico, Berkeley/Los Angeles/London 1950, S. VIII. 13 Mark Burkholder & Lyman Johnson: Colonial Latin America, Oxford 2004, S. 27.

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unterwarfen zwischen 1532 und 1534 das Inkareich, sodass nach und nach die Länder nördlich von Peru in Spaniens Machtbereich gelangten. Dabei war die Conquista Lateinamerikas keine rein private Angelegenheit, sondern musste von der Krone bescheinigt werden, die zum Teil Schreiber und Beamte zur Unterweisung schickte. Der Konquistador musste sich allerdings um die gesamte Organisation und vor allem die Geldmittel seines Unterfangens kümmern.14 Lateinamerika stellte dabei für die Konquistadoren einen besonderen Reiz dar, weil hier vorrangig Gesellschaften lebten, die nicht mit Edelmetallen monetisiert waren. Wo Gold und Silber keine Geldfunktion besitzen, ist die Chance auf bestehende große Vorräte der Edelmetalle naturgemäß hoch. Darüber hinaus war es schwer, indianische Produkte nach Europa zu exportieren, um Geld zu machen. Federkleider waren zu speziell, für die späteren Schlager Tabak, Chili und Kakao war es noch zu früh.15 Ab 1500 – zu dem Zeitpunkt landete auch Pedro Alvares Cabral in Brasilien – war die Krone darum bemüht, ein Verwaltungssystem in ihren Gebieten Amerikas einzuführen. Dafür wurden Verwaltungseinheiten und Provinzen erstellt, an deren Spitze ein Gouverneur administrative und richterliche Befugnisse erhielt.16 Die Kolonisation der Neuen Welt verlangte die Einführung von Institutionen, die der Regierung erlaubten, die neuen Reichtümer zu nutzen und zudem den Katholizismus auszubreiten.17 Die amerikanische Encomienda wurde unter Nicholas de Ovando, Columbus‘ Nachfolger als Gouverneur von Hispaniola, zwischen 1502 und 1509 institutionalisiert.18 Allgemein wird die Schaffung des Systems der Königin Isabella I. von Kastilien zugeschrieben. Sie genehmigte 1503 eine Encomienda, „in der die Indianer als freie Personen […] und nicht als Knechte“ gut behandelt werden sollten.19 Folglich verwaltete in der frühen Kolonialzeit nach den Eroberungen eine kleine Minderheit von Spaniern weite Teile der indigenen Bevölkerung.20

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Edelmayer: Monarchie, S. 44. Bernd Hausberger: Der Bergbau im kolonialen Hispanoamerika, in: Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Michael Weinzierl (Hgs.): Die beiden Amerikas. Die Neue Welt unter kolonialer Herrschaft, Wien 1996 S. 107-120, S. 107. 16 Edelmayer: Monarchie, S. 46. 17 http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-685.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 18 Ronald W. Batchelder & Nicolas Sanchez: The encomienda and the optimizing imperialist: an interpretation of Spanish imperialism in the Americas, in: Public Choice 156 (2013), S. 45-60, S. 46. 19 Hans-Jürgen Prien: Conquista, Kolonisation und Mission in Hispanoamerika bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Michael Weinzierl (Hgs): Die beiden Amerikas. Die Neue Welt unter kolonialer Herrschaft, Wien 1996, S. 67-80, S. 72. 20 Manning Nash: Middle American Indian, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/381104/Middle-American-Indian/57736/The-prehistoric-period. 15

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II.2 Herkunft der Institution Lateinamerikas Entwicklung als Weltregion ist nicht zu verstehen, wenn man sie nicht in Bezug zu den iberischen Kolonialmächten setzt.21 Edelmayer spricht von einer „Europäisierung“ der Neuen Welt nach der Conquista.22 Beispielsweise wurde das europäische Handelssystem sowohl in Bezug auf seine technologische Basis als auch auf seine rechtliche Struktur auf Lateinamerika übertragen.23 Im Zuge dieser Anstrengung brachten die Spanier einige Institutionen aus ihrer eigenen mittelalterlichen Erfahrung und den langen Kämpfen gegen die Moslems mit; und erschufen andere, die an die Bedingungen in der Neuen Welt angepasst waren. 24 Die iberische Halbinsel befand sich seit dem 8. Jahrhundert im Griff der islamischen Araber, ehe die Reconquista 1250 das heutige Portugal befreite und 1492 endgültig abgeschlossen war.25 Auch die chilenische Nationalbibliothek schreibt der Encomienda einen mittelalterlichen und kastilianischen Ursprung zu – erfunden während der Reconquista im 15. Jahrhundert und wiederholt im amerikanischen Kontext des 16. Jahrhunderts.26 Im mittelalterlichen Kastilien wurde die Encomienda genutzt, um Kommandeure des Militärs zu belohnen. Ihnen wurden zeitliche Gewährungen über zurückeroberte Territorien gestattet.27 Auch die Praxis, Tributzahlung zu verlangen, stammt aus der Zeit der Reconquista – dort allerdings bezogen auf Muslime und Juden, nicht auf Indigene.28 Die Encomenderos der Reconquista verkörperten eine Steuer eintreibende militärische und rechtsprechende Funktion, die allerdings verloren ging, als Isabella die Macht zentralisierte. 29

Die spanische Herrschaft in Amerika folgte dem Feudalsystem. Ein Konquistador gelangte an Land, verteidigte es gegen die Nachbarn, verlangte Tribut von seinen Vasallen, die er im Gegenzug zu schützen beteuerte – ähnlich dem System in Spanien.30 Weil die Institution der Encomienda in Varianten also schon in Spanien und auch auf den Kanaren existierte, wurde teilweise argumentiert, dass sie einfach nach Amerika übertragen wurde.31 Pastore widerspricht 21

Edelmayer & Hausberger & Potthast: Lateinamerika, S. 9. Edelmayer: Monarchie, S. 39. 23 Carlos Sempat Assadourian: The Colonial Economy. The Transfer of the European System of Production to New Spain and Peru, in: Journal of Latin American Studies 24 (1992), S. 55-68, S. 55. 24 Lewis Hanke: The Spanish Struggle for Justice in the Conquest of America, in: Revista de Historia de América 61/62 (1966), S. 5-22, S. 9. 25 Prien: Conquista, S. 67. 26 http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-685.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 27 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. 28 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/186567/encomienda (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 29 Pastore: Government, S. 516. 30 Simpson: New Spain, S. VIII. 31 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46f. 22

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allerdings dieser Annahme. Ihm zufolge waren Institutionen Spanisch-Amerikas kein simpler Transfer aus Kastilien, sondern eine Synthese prä-kolumbianischer und europäischer Institutionen. Die Gesetze und Institutionen, die in Lateinamerika zum Einsatz kamen, „were indianized“.32 Grundsätzlich übte die Krone royale Macht in ihren amerikanischen Besitztümern aus, indem sie eine Kolonial-Administration, das Consejo de Indias, einsetzte. Dieses hielt, vorbehaltlich der finalen Entscheidungen aus Kastilien, die Autorität über administrative, rechtliche und kirchliche Angelegenheiten in der Neuen Welt. Das Consejo verhandelte und unterzeichnete Kapitulationen, stellte Gewährungen aus, löste Dispute und war für die Regulierung der Encomiendas zuständig.33

II.3 Das Wesen der Encomienda Die Encomienda war eine Zuteilung von Land und Arbeit an einen spanischen Lehnsherren, schreibt die Enzyclopaedia Britannica.34 Bei dieser Beschreibung kann es allerdings zu Missverständnissen in Bezug auf den Landbesitz kommen. Batchelder und Sanchez stellen klar: „The encomienda was not a landed estate and involved no ownership of land.“35 Und bereits 1937 erklärte Zavala: “The title of an encomienda gave no right of land-ownership.”36 Die Encomienda war also keine Gewährung von Land, sondern vielmehr von Arbeitskraft der Indigenen eines bestimmten Landstriches.37 Ein Konquistador, der eine Encomienda zugesprochen bekam, ist dabei als Encomendero zu bezeichnen.38 Ihm schuldeten die Einwohner des Encomienda-Gebiets dieselben Dienste, die sie sonst der Krone geschuldet hätten39 - was bereits die Möglichkeit für Spannungen zwischen Krone und Encomenderos aufzeigt, auf die ich weiter unten eingehen werde. Ihrer Logik folgend wurde die Größe einer Encomienda nun auch nicht in Landesgröße gemessen, sondern in Menschen.40 1503 wurde die Encomienda definiert als Gewährung der Krone

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Pastore: Government, S. 517. Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 48. 34 Nash, Middle American Indian. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/381104/Middle-American-Indian/57736/The-prehistoric-period (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 35 Batchelder & Sanchez, Encomienda, S. 46. 36 F. A. Kirkpatrick: The Landless Encomienda, in: The Hispanic American Historical Review 22 (1942), S. 765774, S. 765. 37 http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 38 Francisco J. Andrés Santos: Encomienda y Usufructo en Indias. Reflexiones romanistas en torno a la doctrina de Juan de Solórzano y Pereira, in: The Legal History Review 69 (2001), S. 245-270, S. 245. 39 Kirkpatrick: Landless, S. 765. 40 Ebd., S. 755. 33

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Die Encomienda II. Die Encomienda - Theorie

von einer spezifischen Anzahl Indigener, die in einem bestimmten Areal leben, an einen Konquistador, Soldaten oder Offiziellen.41 Der Encomendero durfte Tributzahlungen in Form von Gütern und Arbeitsdiensten erhalten.42 Gewöhnlich waren Speisen, Metalle, Geld und eben die direkten Arbeitsdienste.43 Die Krone regulierte die Menge der Tributzahlungen, die ein Encomendero erhalten konnte, und wandelte sich dabei von einem System der Pauschalsteuer für ganze Dörfer zu einem System einheitlicher Kopfsteuern.44 Dafür, dass die Krone das Einsammeln der Tributzahlungen an den privaten Encomendero delegierte, stimmte dieser zu, der Krone Steuern zu zahlen.45 Den Encomenderos wurde zudem der indianische Überschuss versprochen, den er dann auf dem Markt verkaufen konnte.46 Im Gegenzug sollten die Encomenderos die Indigenen beschützen, ihre Missionierung überwachen und das ihnen zugeteilte Gebiet verteidigen können.47

II.4 Die Rolle der Encomenderos Im frühen 17. Jahrhundert schrieb Solorzano Pereyra auf Geheiß des Königs die „Politica Indiana“, worin er definierte, ein Encomendero sei „la persona que tuviese indios; las personas que tienen indios encomendados.“ Die Encomienda selbst wurde beschrieben als „la posesió y senorió de […] indios“, sie ist also mit dem Besitz von Indigenen gleichzusetzen.48 Den Encomenderos wurden die Indigenen zumeist als Entlohnung für ihre Dienste während der Eroberung Lateinamerikas anvertraut.49 Ein paar wenige Encomiendas wurden aber auch den Abkömmlingen der mexikanischen indigenen Königsfamilien zugesprochen.50 Ein bekannter späterer Encomendero war Hernán Cortes; aber auch wenn keine militärischen Meriten vorzuweisen waren, konnten andere Taten durch Einzelpersonen hervorgebracht werden, wie beispielsweise die Einführung von Vieh nach Mexiko ab 1520; oder der erste gewesen zu sein, der Viehfarmen in bestimmten Gebieten eröffnete.51 Die Größe der Encomiendas vari-

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http://www.britannica.com/EBchecked/topic/186567/encomienda (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. 43 Yeager: Slavery, S. 843. 44 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. 45 Pastore: Government, S. 511. 46 Matthew Restall & Kris Lane: Latin America in Colonial Times, Cambridge 2011, S. 140. 47 Yeager: Slavery, S. 843. 48 Kirkpatrick: Landless, S. 766. 49 Hans-Joachim König: Indianerpolitik, in: Jäger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit Bd. 5 (2007), S. 835f. 50 Restall & Lane: Latin America, S. 140. 51 Assadourian: Colonial Economy, S. 57. 42

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Die Encomienda II. Die Encomienda - Theorie

ierte erheblich. Cortes wurden beispielsweise in manchen Quellen 115.000 Indigene zugesprochen.52 Selbst die 23.000 aus anderen Quellen wären im Vergleich immer noch eine große Zahl.53 Die Rolle des Encomenderos war insofern geregelt, als er verantwortlich für „seine“ Indigene und ihre Missionierung war.54 Dass er als Gegenleistung die von den Indigenen der Krone geschuldeten Tributzahlungen in Form von Naturalien und insbesondere in Form von Arbeitsleistungen eintreiben durfte55, wurde „nur zu oft grausamst missbraucht“.56 Die Indigenen wurden dabei betrachtet als „incapaces relativos […] como menores de edad“.57 Sie konnten zur Arbeit gezwungen werden, mussten aber entlohnt werden. Legitimiert wurde die Encomienda dadurch, dass die Indigenen der Krone Leistungen dafür schuldeten, dass sie von dieser missioniert würden. Diese Verpflichtung übertrug die Krone dabei von sich auf einen Spanier, den Encomendero.58 Der Charakter dieser Legitimation erscheint äußerst makaber und erinnert an moderne Schutzgelderpressungen, deren Gebaren damit verbunden sind, den Geschädigten eine Leistung gegenüber zu erbringen, die diese zumeist nicht beanspruchen wollen, für die sie aber dennoch erheblich zu zahlen haben. Arbeitskräfteversorgung, Erziehung und Christianisierung sollten dabei auf Seiten der Pflichten für den Encomendero Hand in Hand gehen.59 Die Arbeitskraft der Indigenen wiederum konnte er auf verschiedene Arten nutzen. So ließen sich in manchen Fällen Encomenderos Häuser in den Städten bauen, in denen sie lebten oder ließen die Indigenen die Felder bewirtschaften, die sie zugesprochen bekommen hatten. Besonders „beliebt“ war allerdings, wie zu Beginn angedeutet, die Indigenen in der wachsenden Goldgräber-Industrie einzusetzen.60 Die Encomiendas wurden zu Beginn nur für eine bestimmte Zeit zugesprochen. Sie waren da noch nicht vererbbar

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Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 109. Luna Nájera: Contesting the Word. The Crown and the Printing Press in Colonial Spanish America, in: Bulletin of Spanish Studies 89 (2012), S. 575-596, S. 590. 54 http://www.claseshistoria.com/america/colonial-administracion-sistemastrabajo-encomienda.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 55 Horst Pietschmann: Lateinamerika. Die Staatliche Organisation des kolonialen Iberoamerika, Stuttgart 1980, S. 22. 56 Edelmayer: Monarchie, S. 49. 57 http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-685.html (zuletzt abgerufen 26.I.2015). 58 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 48. 59 König: Indianerpolitik, S. 835. 60 James Lockhart: History of Latin America, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/331694/history-of-Latin-America/60835/Indians-and-Spaniards. 53

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Die Encomienda II. Die Encomienda - Theorie oder übertragbar61, was zu einem Umstand führte, den ich später genauer erläutere: Das rücksichtslose Schinden der Indigenen, um in kurzer Zeit das meiste Kapital aus ihnen zu erwirtschaften.

II.5 Funktion der Encomienda In der Encyclopaedia Britannica ist die Encomienda definiert als „legal system by which the Spanish crown attempted to define the status of the Indian population in its American colonies“.62 Horst Pietschmann sieht in ihr vielmehr das “geeignete organisatorische Instrument der Überbrückung der Phase des Übergangs von der Eroberung bzw. Inbesitznahme zur planmäßigen Kolonisation.“63 Die Encomienda war ein essentieller Teil der kolonialen Organisation, der besser als andere Institutionen ermöglichte, die wohlstandssteigernden Interessen der Krone kurz nach der Conquista im weit entfernten Lateinamerika umzusetzen.64 Während der ersten Dekade nach der Eroberung Mexikos nach 1521 war die spanische Verwaltung zudem daran interessiert, geografische Informationen zusammenzustellen, um Encomiendas und Land effektiv zuteilen zu können.65 Die Encomienda diente zur Umsetzung der Ziele der spanischen Krone, ein profitables Kolonialwesen aufzubauen und zudem die neuen Kolonien zu erschließen. Darüber hinaus wurde Kontrolle über die Indigenen erlangt. Ebenso hatte sie das beteuerte Ziel, das Wohlbefinden der Indigenen zu schützen.66 Jedoch sollte, wie sich nun zeigen wird, die Praxis „stets hinter kirchlicher Doktrin und gesetzlicher Theorie zurückbleiben.“67

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Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. http://www.britannica.com/EBchecked/topic/186567/encomienda (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 63 Pietschmann: Lateinamerika, S. 22. 64 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. 65 Nájera: Contesting the World, S. 583. 66 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 47. 67 Prien: Conquista, S. 76. 62

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis

III. Die Encomienda – Praxis III.1 Reale Umsetzung 1492 hatte Hispaniola schätzungsweise zwischen einer und drei Millionen Einwohner. 1520 waren es noch 16.000 Indigene, in der Mitte des 16. Jahrhunderts ist die Urbevölkerung gänzlich verschwunden. Die Zahlen für Mexiko sind ähnlich niederschmetternd: 1519 noch circa 25 Millionen Einwohner, 1532 noch 17 Millionen, 1568 2,6 Millionen und 1620 gerade mal 730.000 verbleibende Indigene. Simpson und Edelmayer zufolge trat also in den Gebieten Spanisch-Amerikas eine katastrophale Bevölkerungsverminderung der Indigenen zwischen 80 und 90 Prozent auf.68 Dazu passt, dass „durante los primeros años de la encomienda, no existía ningún tipo de regulación ni jurisdicción que garantizase los derechos de los aborígines.“69 Edelmayer nennt vier Hauptgründe für den Rückgang: 1) Von den Europäern eingeschleppte Krankheiten wie Pocken, Masern oder die Grippe, an die die Indigenen nicht gewöhnt waren. 2) Die unmittelbaren Kriegsfolgen der Conquista, in der die Spanier mit überlegenen Waffen kämpften. 3) Die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten der Indios nach Eroberung durch die Spanier. 4) Die Encomienda sowie die generelle Sklaverei der Indios.70 Nachdem Encomiendas zu Beginn üblicherweise für drei bis fünf Jahre vergeben wurden, änderte sich dies später auf zwei Lebzeiten, also eine erlaubte direkte Vererbung – was aber je nach Region auch auf zwei Vererbungen ausgeweitet werden konnte. 71 Der zu Beginn sehr kurzen Vergabedauer der Encomienda – oder genauer gesagt: der kurze Besitz von bestimmten Indigenen – fielen viele Indios zum Opfer. Die Gier der Encomenderos sorgte dafür, dass diese in knapper Zeit so viele Edelmetalle wie nur möglich für sich heranholen lassen wollten. Die Indigenen starben durch Schinderei in Minen, Plantagen oder beim Perlentauchen 72, der Encomendero konnte mehr oder weniger unkontrolliert handeln.73 Gerade in der Anfangsphase

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Edelmayer: Lateinamerika, S. 49o; Simpson: New Spain, S. XI. http://www.claseshistoria.com/america/colonial-administracion-sistemastrabajo-encomienda.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 70 Edelmayer: Lateinamerika, S. 49. 71 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. 72 Edelmayer: Lateinamerika, S. 49. 73 Bernd Hausberger: Lateinamerika – der eroberte Kontinent, in: Friedrich Edelmayer & Peter Feldbauer & Marija Wakounig (Hgs.): Globalgeschichte 1450-1620. Anfänge und Perspektiven, Wien 2002, S. 53-74, S. 57. 69

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis der amerikanischen Encomienda war die Behandlung der Indigenen „effectively unrestricted“, ehe erst später Regeln seitens der Krone aufgestellt wurden, dass die Indigenen nicht mehr für „personal services“ benutzt werden durften.74 Allein die Tatsache, dass die Krone sich bemüßigt fühlte, zu reagieren – auf die genauen Umstände soll weiter unten eingegangen werden – verdeutlicht, wie schlecht die Arbeitsbedingungen tatsächlich gewesen sein müssen. 1512 befassten sich die Leyes de Burgos insbesondere mit dem „buen trato a los aborígines“. Jedoch ging die Ausnutzung weiter.75 Das Schädlichste Element an der Encomienda war sicherlich das Privileg der Encomenderos, die Arbeitskraft der Indigenen nutzen zu können – und nicht lediglich Steuern oder Tributzahlung einzuziehen.76 Bereits 1511 fragte der Dominikanermönch Antonio Montesinos, warum die die Spanier derart harsch mit den Indios umgehen und woher ihre Wut und Grausamkeit käme.77 Hans-Joachim König spricht von einer hemmungslosen Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft unter gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen.78 Allgemein gilt als gesichert, dass diese Bedingungen zu einem großen Teil zur Zerstörung der indigenen Bevölkerung beitrugen.79 Weil die Indigenen als „minderwertige und primitive Wesen“ angesehen wurden, nahmen die Kolonisten die Dezimierung der Urbevölkerung hin.80 Es dürfte aber eben nicht nur der (nicht)humane Gedanke eine Rolle gespielt haben, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Encomenderos in ihrem Verständnis unter erheblichem Zeitdruck standen, und die Indigenen somit besonders hart und viel arbeiten ließen. Für den Encomendero war es eine Überlegung, in den drei Jahren seines Besitzes über die Indigenen aus ihnen das Beste – also Geld – zu machen. Die Urbevölkerung wurde als Kapital gesehen, das es umzuwandeln galt. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Encomendero nicht verantwortlich war für den Zustand oder die Anzahl seiner ihm anvertrauten Menschen.81 Dort, wo wertvolle Bodenschätze gefunden wurden, verringerte sich die Encomienda folglich schneller als dort, wo diese Entdeckungen nicht gemacht wurden.82 Dass die Indigenen in der Anfangszeit der Encomienda in großer

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Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. http://www.claseshistoria.com/america/colonial-administracion-sistemastrabajo-encomienda.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 76 Simpson: New Spain, S. XIII. 77 Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 29. 78 König: Indianerpolitik, S. 835. 79 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. 80 König: Indianerpolitik, S. 835. 81 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 50. 82 Pastore: Government, S. 516. 75

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis

Zahl totgeschunden wurden, scheint offensichtlich. Dabei war es den Encomenderos naturgemäß wichtiger, die indigene Verpflichtung zur Arbeit zu überwachen als ihre eigene Verpflichtung, diese im katholischen Glauben zu unterrichten und sie zu beschützen.83 Dass diese Verpflichtung in den Wind gesprochen war, lässt sich anhand der Bevölkerungszahlen schnell nachvollziehen. Diese Ausbeutung der ihnen anvertrauten Indigenen führte bald zu einem Konflikt zwischen Encomenderos und Vertretern der Kirche – insbesondere wegen des vernachlässigten Missionierungsauftrags sowie der Bestrebung der Encomenderos, die Encomienda in ein erbliches Privileg umzuwandeln.84 Das System verlor aufgrund des drastischen Bevölkerungsrückgangs der indigenen Bevölkerung seinen Sinn und seine Effektivität. Bis ins späte 18. Jahrhundert hinein wurde es jedoch nicht abgeschafft.85 Dass die Encomienda massiv zum Rückgang der Urbevölkerung beitrug, wurde hingegen schon von zeitgenössischen Autoren thematisiert86, heutige Historiker betrachten diesen Umstand als Fakt.87 Das ist auch deshalb bedauernswert, weil die Encomienda von ihrem institutionellen Wesen her verantwortlich war für die meisten Formen des ersten spanisch-indigenen Kontakts.88

III.2 Versklavung der Indios? Ich möchte kurz auf die sich aufdrängende Frage eingehen, ob die Encomienda als Sklaverei betrachtet werden kann. Dazu sollte man sich vergegenwärtigen, dass zur Zeit des späten 15. Jahrhunderts die Philosophie betreffend die Sklaverei im Umfeld spanischer Eroberungen diejenige der Aristotelischen Doktrin war. Darin heißt es „that one part of mankind is set aside by nature to be slaves in the service of masters born for a life of virtue free of manual labour“. Die mittelalterliche Christenheit interpretierte nun “natural slaves” als Ungläubige bzw. diejenigen, die ihren wahren Glauben ablehnten. Allerdings wurde in der christlichen Debatte auch thematisiert, dass die Menschen der Neuen Welt den Glauben nicht wirklich abgelehnt hatten, da sie bisher nicht mit dem Christentum in Berührung kamen. Im 16. Jahrhundert wurde dann also diskutiert, ob die Indigenen natural slaves darstellten.89 Die Kirche betrachtete sie letztlich

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Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 31. König: Indianerpolitik, S. 835. 85 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/186567/encomienda (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 86 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 45. 87 Dies., S. 50. 88 David Bushnell: History of Latin America, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/331694/history-of-Latin-America/60835/Indians-and-Spaniards. 89 Yeager: Slavery, S. 856. 84

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nicht als Ungläubige, sondern als Heiden. Sie sollten daher nicht als Sklaven von Natur aus angesehen werden – „in other words, they were legally free.“90 In der Forschung findet sich eine uneinheitliche Handhabung, ob die Indigenen der Encomienda nun Sklaven waren oder nicht. Mario Pastore spricht sich klar dagegen aus, während Margarita Lafaille schildert, Las Casas Ziel sei gewesen „dar libertad a los indios esclavizados“. Tatsächlich fanden die Encomienda und Sklaverei gleichzeitig statt. Es ist daher falsch zu unterscheiden, ob die Krone sich für Encomienda oder Sklaverei entschied. Diejenigen Indigene, die sich friedvoll ergaben wurden zumeist mit der Encomienda „belohnt“, Aufständigen drohte die Sklaverei. Auch Edelmayer spricht jeweils separat von Sklaverei der Indios und Encomienda. Er sieht in der Encomienda allerdings „das berüchtigtste Mittel der Ausbeutung der indigenen Arbeitskraft“.91 Die Encyclopaedia Britannica spricht davon, dass die Encomienda „in practice […] became a form of enslavement.“92 In der Anfangszeit waren die Indigenen der Encomiendas auf der Hispaniola kaum von den indigenen Sklaven zu unterscheiden. Sie mussten ebenso unter schlimmen Bedingungen und bei wenig Essen arbeiten.93 Was aber ist nun der Unterschied zwischen Sklaverei und Encomienda? Der Unterschied ist der, dass ein Encomendero einen temporären, nicht übertragbaren Anspruch auf einen nicht regulierten Teil des Ertrags des Humankapitals hatte. Bei der Sklaverei hingegen hat der Besitzer ein “legally exchangeable right to an unregulated share of output from the human capital of slaves for life.”94 Yeager beschreibt: „The encomienda differed from slavery in that the Crown imposed inheritance, trading, and relocation restrictions on encomenderos.“95 Darüber hinaus war ein Encomendero eben nicht für den Zustand der Indigenen verantwortlich zu machen, sobald sein Besitz vorüber war. Auf den Antillen wurden die Indigenen in der Anfangszeit mittels der Encomienda ausgebeutet, ohne formell versklavt zu sein.96 Restall fasst treffend zusammen: „The encomienda, though not slavery, sometimes came close to it.“97

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Pastore: Government, S. 512. Edelmayer: Lateinamerika, S. 49. 92 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/186567/encomienda 93 Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 108. 94 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. 95 Yeager: Slavery, S. 842. 96 Hausberger: Kontinent, S. 65. 97 Restall & Lane: Latin America, S. 140. 91

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III.3 Reale Akteure – Genauere Betrachtung Die Kirche Die Rolle der Kirche in der Eroberung Lateinamerikas, ist nicht zu unterschätzen. Vertraglich war die Eroberung nämlich seitens des Papstes geregelt, um für die Verbreitung der Religion zu sorgen: „la conversión de los indios no es solamente un deber moral, sino una obligación jurídica“98, was interessanterweise auch die moralische Verpflichtung zur Missionierung anspricht. Viele Vertreter der Kirche sahen daher in der Encomienda ein notwendiges Herrschaftsinstrument.99 Bereits in der Bulle von 1455 war die Verbindung von Kolonisation und Evangelisierung geregelt. Demnach „sind Herrschaftsrechte, wirtschaftliche Rechte und die Pflicht zur Mission miteinander vermischt“ – alle drei Attribute finden sich auch in der Institution der Encomienda wieder. Die Bulle von 1537, die den Indigenen das Menschsein zuspricht, weil diese das Potenzial dazu haben, Christen zu werden, geht mit dem neutestamentlichen Taufbefehl einher.100 Die Krone nutzte die Kirche in der Praxis aktiv, um durch sie die Einhaltung der Regeln zu überprüfen101: „The Crown employed the colonial Church, in addition to ist own official representatives, to monitor the conditions in ist colonial possessions.“ Der Klerus wurde insbesondere zur Überwachung der Situation in den eroberten Gebieten genutzt, als die Krone noch keine bürokratische Organisation hatte einführen können.102 Die Indigenen Philipp II., König von Spanien ab 1556, beschrieb die Encomienda als den Encomenderos durch royale Großzügigkeit zugestandenes Recht, den Tribut der Indigenen einsammeln zu können. Im Gegenzug sollten diese nach dem „spiritual and temporal welfare of the Indians“ trachten.103 Also, dass die Indigenen im Gegenzug für ihre eigene Missionierung, praktisch als dankbare Gegenleistung, den Tribut oder persönliche Arbeit zu leisten hatten.104 Den für die Indigenen seltsamen Belohnungscharakter in diesen Formulierungen, habe ich bereits oben angesprochen. Insbesondere, da „las repercusiones de las encomiendas fueron particularmente negativas para

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Nora Perner: Der Staat, Indigenes Recht und Usos y Costumbres in Mexiko, Diplomarbeit, Wien 2012, S. 16. Hausberger: Kontinent, S. 57. 100 Prien: Conquista, S. 75. 101 Pastore: Government, S. 516. 102 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 54. 103 Louis C. Faron: From Encomienda to Hacienda in Chancay Valley, Peru; 1533-1600, in: Ethnohistory 13 (1966), S. 145-181, S. 149. 104 http://www.nationalgeographic.com.es/articulo/historia/actualidad/7799/las_leyes_nuevas_alegato_favor_los_indios.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 99

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis los indígenas quenes fueron abusados y cruelmente tratados“105 Spate vergleicht das wohl erlittene Leid der Indigenen Bevölkerung mit dem der Bevölkerung in den großen Kriegen und Revolutionen des 20. Jahrhunderts.106 Yeager sieht in dem Missionierungsanspruch der Krone auch den Gedanken, dass ein konvertierter Indigener, wenn sein Leben auf der Erde schon schlecht war, immerhin einem besseren Leben im Jenseits entgegenblicken könne. „A miserable Christian, the Crown reasoned, was much better off than a free ‚heathen‘.“107 Ich halte diesen Gedanken aber für zu weit hergeholt, allein schon, weil ich nicht davon ausgehe, dass sich die Krone derart intensiv mit der Legitimation der eher kirchlich autorisierten Missionierung auseinandersetzen musste oder wollte. Zu widersprechen ist hingegen der Einschätzung von Lacas aus 1952, die Indigenen seien von Natur aus faul und lustlos gewesen und seien für ihr eigenes Wohl und die Unterstützung der Kolonie zum Arbeiten gebracht worden – „The encomienda seemed to offer the solution to the mutual requirements of both Spaniards and Indians.“108 Auch seine Einschätzung, die Encomienda habe den Indigenen „the beneficial influence of the missionaries and of the encomenderos“109 gebracht, liest sich nach den vorangegangenen Betrachtungen der Bevölkerungsentwicklung als blanker Zynismus. Die Encomenderos Die Encomenderos hatten weder über die Indigenen noch die Tributzahlungen ein Recht auf Besitzeigentum. Dieses blieb bei der Krone.110 „Gold and God, in that order,“ waren für viele Konquistadoren die hauptsächliche Motivation, die Indigenen ihr Mittel zum Zweck. 111 Simpson sieht in der Encomienda einen „vigorous offspring of the feudal system“ und schreibt, diese feudale Tradition habe so tief in den Konquistadoren gewurzelt, dass diese dazu neigten, alle Autorität vor Ort auf sich zu vereinigen. Sie holten sich Land und Bodenschätze, nutzten die Indigenen aus und verhielten sich „like conquerors of all times.“112 Die spanischen Siedler sahen den Besitz einer Encomienda oft als Mittel an, durch das sie Besitzansprüche auf politisch bedeutende Positionen stellen konnten. Ein Umstand, der zu einem Spannungsverhältnis mit

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http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-685.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 107 Yeager: Slavery, S. 844. 108 Lacas: Reappraisal, S. 285. 109 Ebd., S. 286. 110 Santos: Usufructo, S. 252. 111 http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 112 Robert S. Chamberlain: Simpson’s the Encomienda in New Spain and Recent Encomienda Studies, in: The Hispanic American Historical Review 34 (1954), S. 238-250, S. 239. 106

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der Krone führen sollte. Nun waren nicht alle Siedler Encomenderos; diejenigen aber, die Encomiendas besaßen, machten eine mächtige soziale Gruppe aus, die nach und nach die royale Autorität in Amerika unter Druck setzte.113 Tatsächlich war mit dem Besitz einer Encomienda keinerlei jurisdiktionelle oder administrative Befugnis verbunden. In Praxis nahmen die Encomenderos dennoch Einfluss auf innere Angelegenheiten der Indigenen.114 Wenig verwunderlich ist daher auch das Bestreben der Encomenderos, den Besitz einer Encomienda dauerhaft und vererbbar zu machen.115 Die Krone Die Encomienda war nun also auch eine „eminent politische Einrichtung.“116 Die Krone selbst führte von Beginn an nicht wirklich die Conquista, sondern autorisierte sie vielmehr.117 Dabei war sie stets bedacht, den Konquistadoren nichts zuzugestehen, „was permanenten Besitz bedeuten könnte.“118 Dem Encomendero wurden zwar die Bewohner eines Bezirks unterstellt119, nicht aber das Land selbst. Dass die Krone so sehr an der Encomienda festhielt, scheint dann verwirrend, wenn man sich die frühen ständigen Forderungen der Encomenderos vor Augen führt, die Indigenen versklaven zu können oder die Encomienda dauerhaft zu machen.120 Batchelder und Sanchez kritisieren, dass bisher keine zufriedenstellenden Erklärungen dafür gemacht wurden, dass die Encomienda sich fast zweihundert Jahre lang auf Geheiß der Krone halten konnte.121 Tatsächlich war die Institution meiner Meinung nach für die Krone eine stete Abwägung zwischen eigener Herrschafts-Sicherheit und dem Streben nach Reichtum. Auch Batchelder und Sanchez betrachten die Encomienda als „important part of the Crown’s wealth-maximizing colonial organization“122 Jedoch wollte nicht nur die Krone, sondern auch die privaten Spanier

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Nájera: Contesting the World, S. 590. Pietschmann: Lateinamerika, S. 22. 115 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. 116 Pietschmann: Lateinamerika, S. 22. 117 http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 118 Simpson: New Spain, S. IX. 119 Edelmayer: Lateinamerika, S. 49. 120 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 50f. 121 Ebd., S. 46. 122 Ebd., S. 51. 114

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis von ihrer Präsenz vor Ort profitieren.123 Die Krone befürchtete ganz konkret, von einer zu großen Macht der Encomenderos in ihrer Autorität untergraben zu werden.124 Oft nämlich kümmerten sich die Konquistadoren nicht um die Anordnungen des „allzu fernen Königs“.125 Die Tatsache, dass wenige Encomenderos mit zum Teil riesigen Zahlen an Indigenen betraut wurden, erhöhte die Chancen für ein Horrorszenario der spanischen Krone, nämlich dass ein dezentrales Herr-Vasallen-System aufgebaut würde. Unbehagen verursachte Offiziellen der Krone auch Beobachtungen wie das einzelne Encomenderos sich aufgrund ihres Besitzes inoffiziell Titel zusprachen, beispielsweise „Don“.126 Die große Distanz zwischen Kastilien und den Encomenderos sorgte zusätzlich für Ablehnung der Krone, Encomiendas dauerhaft zu vergeben.127 Es sollte um jeden Preis die Errichtung einer neuen mächtigen Adelsschicht in Amerika verhindert werden.128 Dafür war die Institution der Encomienda auf drei Arten beschränkt: Die Indigenen gehörten den Encomenderos nicht. Sie konnten sie nicht kaufen, verkaufen oder verleihen. Zweitens war es den Encomenderos nicht vergönnt, ihre Rechte zu vererben. Drittens konnten die Indigenen nicht im großen Stile umgesiedelt werden.129 Die Erb-Begrenzung stärkte die Krone darin, dass sie es k einer Familie erlaubte, Reichtum anzusammeln. Auch reichere Familien verloren nach zwei Generationen ihren Zugang zu der indigenen Arbeitskraft. Darüber hinaus konnte die Krone wesentlich einfacher Encomiendas konfiszieren.130 Das tat sie auch, insbesondere ab 1530. Diese Konfiszierungen waren zumeist nicht wohlstandsfördernd für die Krone, sondern geschahen unter Sicherheitsaspekten. Diese Handlung verbesserte aber die Verhandlungsposition der Krone gegenüber Encomenderos erheblich, die sich im Gegenzug lieber fügten als ihre Encomienda zu verlieren.131 Tatsächlich wurden Rechtsstreite zwischen der Krone und Encomenderos abgehalten, die Anspruch auf das Land haben wollten. Beispielsweise dann, wenn die indigene Bevölkerung ausgestorben war – oft aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen – und die Encomienda somit de facto ebenfalls nicht mehr existierte. Die Gerichte entschieden dann aber darauf, dass

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Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 108. König: Indianerpolitik, S. 835. 125 Edelmayer: Lateinamerika, S. 44. 126 Nájera: Contesting the World, S. 590. 127 http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 128 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 46. 129 Yeager: Slavery, S. 843. 130 Ebd., S. 846. 131 Ebd., S. 847. 124

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Die Encomienda III. Die Encomienda – Praxis das Land der Dörfer Eigentum der indigenen Bewohner sei.132 Das könnte nun als Anreiz verstanden werden, die Encomenderos mögen ihre indigene Bevölkerung nicht zu rücksichtslos zu Tode schinden, erklärt sich aber vermutlich viel leichter als Bestrebung der Krone, Land nicht dauerhaft und fest an Personen und Familien zu vergeben. Nach und nach hätten die Encomenderos dann zu einer Steuer-eintreibenden Aristokratie werden können.133 Pastore hingegen sieht die Gefahr der Encomenderos für die Krone nicht so stark. Ihm zufolge seien sie in der Minderheit gewesen und hätten aufgrund ihres Verhaltens die Indigenen wohl kaum mit Waffen oder Pferden ausgerüstet. In Mexiko wurden 1560 teilweise Militärwachen gegen Encomenderos eingesetzt.134 Nachdem die Krone sich dafür entschieden hatte, ihre Landgewinne dadurch voranzubringen, Konquistadoren mit Besitztümern auszustatten, war ihre tatsächlich Partizipation begrenzt auf die Bestrafung unautorisierter Rechtsübertritte oder nicht gezahlter Steuern (Royal Fifth).135 Nach 1552 hatte der Encomendero nur noch ein Recht: Den Tribut seiner Indios einzusammeln. Das Recht auf Arbeitskraft der Indigenen wurde abgeschafft – „at least in legal theory“.136 Ein Gesetz von 1618 verbat es den Encomenderos, auf dem Land ihrer Encomienda Häuser zu errichten oder zu besitzen. Ein untragbarer Zustand für wirkliche Großgrundbesitzer.137 In einer Zeit, in der die Fernkommunikation zumeist Monate in Anspruch nahm, ist das konkrete Streben der Krone nach Sicherheit ihrer Autorität in diesen Regelungen klar nachzuvollziehen. Wenn nun aber die Encomienda in ihrem feudalen Charakter wahrlich kein Instrument der Stärkung der Staatsmacht war – warum hielt sie sich so lange?

III.4 Motivation der Krone Pastore schließt an die vorangegangene Betrachtung an, die Wahl einer Encomienda statt Sklaverei scheine paradox für eine Krone, deren Ziel die Wohlstands-Maximierung sei.138 Viele Historiker halten das Vorgehen der Krone hier für inkonsistent. Das Ziel des Schutzes der indigenen Bevölkerung wird gleichzeitig hochgehalten mit den kurzfristigen Vorhaben der

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Kirkpatrick: Landless, S. 767. Pastore: Government, S. 516. 134 Ebd., S. 514. 135 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 51f. 136 Kirkpatrick: Landless, S. 769. 137 Ebd., S. 768. 138 Pastore: Government, S. 515. 133

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Konquistadoren sowie den eigenen finanziellen Ansprüchen der Krone. Batchelder und Sanchez wundern sich offen, dass wenig Zweifel darüber herrsche, dass die Krone selbst die Indigene Bevölkerung wirklich erhalten wollte, während sie gleichzeitig aber die politische und ökonomische Macht der Encomenderos fast schon gegenteilig herausfordernd beschnitt.139 Yeager stellt erstaunt fest, die Präferenz der Krone für die Encomienda anstelle der Sklaverei gehe einher mit einem Verlust der Einnahmen.140 Zwar existierten beide Systeme parallel, aber es wäre ja auch eine Möglichkeit gewesen, nur auf Sklaverei zu bauen. Generell ist davon auszugehen, dass bei einer Institution, die so lange überlebt hat wie die Encomienda, die Krone „got the labor they wanted in what they perceived to be the least expensive and most efficient way possible.“141 Yeager vermutet nun, die Krone habe die Encomienda präferiert, weil die eingeschränkten Besitztumsrechte der Encomenderos die Bedrohung ihrer Sicherheit stärker verringert hätten als es bei einem Sklavereisystem der Fall gewesen wäre. Wichtig in Yeagers Argumentation: Die Krone hatte sowieso eine grundsätzliche Abneigung gegen indigene Sklaverei gehabt. Diese Abneigung sei nicht aus (laut Yeager schwachem) kirchlichem Druck resultiert, sondern von „a general attitude that the natives should be free people.“142 Das System der Encomienda sei dem der Zwangsarbeit zudem vorgezogen worden, weil es monetären Ertrag aus der Arbeit der indigenen Arbeit versprach, „while not reducing Native Americans to the status of slaves.“143 Demgegenüber argumentieren Batchelder und Sanchez, die Krone habe die Indigenen in Encomiendas zusammengefasst, in dem genauen Bewusstsein, dass dies zum Teil härtere Bedingungen für die Indigenen mit sich bringen würde als Sklaverei. Letzten Endes sei es kein moralisch positives Vorhaben gewesen, die Indigenen bloß nicht als Sklaven herabzustufen, das die Encomienda hervorbrachte. Sondern vielmehr unbegrenzte Profitgier der Krone, die wusste, dass sie die – in ihren Augen wertlose – indigene Bevölkerung am ehesten in Geld umwandeln könne, wenn sie sie in Encomiendas statt unter einer Pauschalsteuer oder in der Sklaverei zusammenfasste.144 Sklavenhalter hätten die Indigenen eventuell nicht so sehr zu harter Arbeit

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Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 47. Yeager: Slavery, S. 843. 141 José Cuello: The Persistence of Indian Slavery and Encomienda in the Northeast of Colonial Mexico, 15771723, in: Journal of Social History 21 (1988), S. 683-700, S. 696. 142 Yeager: Slavery, S. 846. 143 Yeager: Slavery, S. 856. 144 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 47. 140

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Die Encomienda IV. Kritik und Reform

angespornt, da sie persönlich für deren Zustand hätten belang werden können. Stattdessen war die Encomienda ganz im Sinne der Krone: Kapital wurde unter härtesten Bedingungen erwirtschaftet, umgewandelt und transferiert. Zudem unterstellen sie der Krone, dass auch die Bevölkerungsdezimierung ein verfolgtes Ziel der Krone gewesen sei – und die Encomienda somit eine für ihre Bestrebungen gänzlich geeignete Institution.145 Um diese verschiedenen Bestrebungen und die damit verbundenen sehr unterschiedlichen Anschuldigung wirklich bewerten zu können, sollen im Folgenden die Reaktion der spanischen Krone auf die Kritik an der Encomienda genauer untersucht werden.

IV. Kritik und Reform Mit der Eroberung Amerikas ging auch eine juristische und theologische Debatte darüber einher, welche Rechte die kastilianische Krone auf die neuerworbenen Gebiete und die unterworfenen Einheimischen hat.146 Erst 1537 bekräftigte Papst Paul III. in einer Bulle, dass die Indigenen wahre Menschen und nicht Tiere in Menschengestalt seien.147 Damit sollte auch der Tatsache entgegengewirkt werden, die Ureinwohner wie Tiere in der Sklaverei zu halten. Bereits 1511 sprach sich der Dominikaner Antonio de Montesinos gegen die Zwangsarbeit der Indios aus.148 De Montesinos und Bartolomé de las Casas, ebenfalls Dominikanermönch, verhalfen der Debatte über die Encomienda zu einer größeren Öffentlichkeit, die in späteren Reformversuchen münden sollte.149 Restall spricht davon, dass 1542 „at Las Casas insistence“ versucht worden sei, die Encomienda abzuschaffen:150 Tatsächlich wurden durch seinen Einfluss die Leyes Nuevas vorangetrieben, laut denen die Sklaverei der Indigenen abgeschafft und die Neuausgabe von Encomiendas verboten wurde.151 Bartolomé de las Casas wurde wohl 1474 in Sevilla geboren und starb 1566 in Madrid. Er ging für den Dominikanerorden als Missionar nach Amerika, wo er auf die Unterdrückung der Urbevölkerung aufmerksam machte. 1502 verließ er Spanien Richtung Hispaniola und erhielt als Belohnung für seine Teilnahme an verschiedenen Expeditionen selbst eine Encomienda, deren

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Ebd., S. 58f. http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-598.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 147 Edelmayer: Lateinamerika, S. 41; Prien: Conquista, S. 75. 148 Edelmayer: Lateinamerika, S. 49. 149 http://www.memoriachilena.cl/602/w3-article-598.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 150 Restall & Lane: Latin America, S. 140. 151 Edelmayer: Lateinamerika, S. 50. 146

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Die Encomienda IV. Kritik und Reform Indigene er bald zu missionieren begann.152 Zu Beginn seiner Zeit in Amerika verkörperte Las Casas also die Doppelrolle des Priesters und Siedlers.153 Während Lacas davon spricht, Las Casas habe „recognized a number of good features in the encomiendas“154, kann wohl festgehalten werden, dass ihn das Schicksal der Urbevölkerung trotz seiner vorherigen Teilnahme an der Eroberung des Karibikraum beschäftigte.155 Las Casas stellte fest, dass es nutzlos sei, die Indigenen auf lange Entfernung zu verteidigen und kehrte 1515 nach Spanien zurück, um für ihre bessere Behandlung zu votieren. Jedoch verbesserte sich die Situation nicht merklich bis 1542 als Las Casas seinen „Kurzgefasste[n] Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder“ verfasste und offen auf Mord, Totschlag, Menschenhandel, Knechtschaft und Sklaverei in den eroberten Gebieten hinwies. Der Mönch beschrieb die Einführung der Kolonialherrschaft als „ununterbrochene Kette von Massakern, Folterungen und anderen Grausamkeiten aller Art.“156 Seiner Meinung nach war die Krone dazu verpflichtet, die Institution Encomienda abzuschaffen, den Indigenen ihr Land wiederzugeben und die Ehre der ursprünglichen Stammesführer wiederherzustellen. Die europäischen Siedler standen mit ihrem Verhalten dem apostolischen Missionierungsauftrag seiner Meinung nach im Weg.157 Las Casas favorisierte eine direkte Zuständigkeit der Krone sowie direkte Kontrolle über die Indigenen.158 Las Casas Arbeit schien von Erfolg gekrönt, als König Karl die Leyes Nuevas 1542 unterzeichnete. Denen zufolge war die Encomienda kein vererbbares Recht mehr, die Besitzer mussten die Indianer nach der Zeitspanne einer einzigen Generation in Freiheit entlassen. 159 Spate spricht davon, dass Las Casas zwar „provoked much heart-searching and some real […] action by the royal authorities“ – diese seien im Endeffekt aber größtenteils ineffektiv gewesen.160

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Enrique Dussel: Bartolomé de Las Casas, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/330804/Bartolome-de-Las-Casas. 153 http://www.gestiopolis1.com/recursos8/Docs/eco/derecho-indiano-concepto-y-caracteristicas.htm (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 154 Lacas: Reappraisal, S. 285. 155 Enrique Dussel: Bartolomé de Las Casas, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/330804/Bartolome-de-Las-Casas. 156 Wolfgang Gabbert: Koloniale und post-koloniale Gewalt. Die indigene Bevölkerung Lateinamerikas, 14921870, in: Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Barbara Potthast (Hgs.): Lateinamerika 1492-1850/70, Wien 2005, S. 79-95, S. 79. 157 Assadourian: Colonial Economy, S. 56. 158 Nájera: Contesting the World, S. 590. 159 Enrique Dussel: Bartolomé de Las Casas, Encyclopædia Britannica Online 2015. Siehe: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/330804/Bartolome-de-Las-Casas. 160 http://press.anu.edu.au/spanish_lake/mobile_devices/ch03s08.html (zuletzt abgerufen am 26.I.2015).

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Batchelder und Sanchez gehören zu den größeren Kritikern Las Casas und der katholischen Kirche zu dieser Zeit. Während Las Casas zum großen Verteidiger der indigenen Rechte stilisiert werde, sei er auch einer der ersten gewesen, die stattdessen die Einfuhr afrikanischer Sklaven als Ersatz vorschlugen. Sie unterstellen der Kirche generell ein finanzielles und nicht humanitäres Interesse an der Abschaffung der Encomienda. Sie strebte zwar den Zehnten dessen an, was der Encomendero von den ihm unterstellten Ureinwohnern eintrieb – jedoch konnte dieser seinen Reichtum dadurch steigern, das Humankapital der Indigenen in nicht-besteuerbare Einheiten umzusetzen. Das potentielle Einkommen der Kirche aber wurde weiter verringert durch die bloße Tatsache der fortwährenden Bevölkerungs- und Arbeitskraftdezimierung innerhalb der Encomiendas, die letztlich zu einem niedrigeren Ertrag des Zehnten führte.161

IV.1 Leyes Nuevas Angetrieben von der Argumentation, die indianische Urbevölkerung Amerikas sei nicht untergeordnet, sondern vielmehr vernunftbegab, entfachte sich ab 1511 eine öffentliche Diskussion über die Behandlung der Urbevölkerung sowie das spanische Eroberungsrecht.162 Ferdinand II. erließ 1512 die Leyes Burgos, einen ersten Versuch für die bessere Behandlung der Indigenen. Die Rechte traten für bessere Arbeitsbedingungen, adäquate Ernährung und Lebensstandards sowie eingeschränkte Bestrafung ein – allerdings wurden sie nie erzwungen.163 Die Gesetze bestätigten im Endeffekt die Encomienda und bekräftigten noch einmal die Verpflichtung der Encomenderos, die Indigenen in der christlichen Religion zu unterweisen.164 Bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde die Encomienda sowohl verteidigt als auch als unchristlich attackiert.165 1530 wurde zumindest die Versklavung der indigenen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Mexiko verboten – mit Ausnahme afrikanischer Sklaven.166 Die 1542 erlassenen Leyes Nuevas hatten dann nicht nur die Bestrebung, die Bedingungen der Indianer zu verbessern, sondern sollten auch weiter verhindern, dass die Encomenderos zu einer neuen Adelsklasse aufstiegen.167 Die Gesetze wurden 1543 erlassen und reagierten nicht zuletzt auf Las Casas Kritik. Vor allem sollten die Missstände des Encomienda-System eingedämmt und die Sklaverei ähnlichen Zustände für die Bevölkerung beendet werden. Dazu wurden die

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Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 56. König: Indianerpolitik, S. 835. 163 Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 109. 164 König: Indianerpolitik, S. 836. 165 Hanke: Struggle, S. 10. 166 Perner: Staat, S. 15. 167 Burkholder & Johnson: Colonial Latin America, S. 50. 162

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Die Encomienda IV. Kritik und Reform

persönlichen Dienstleistungen für die Encomenderos eingeschränkt; zusätzlich wurden Offizielle der Krone dafür eingesetzt, über die Menge und Zusammensetzung der Tributzahlungen einzelner Encomiendas zu entscheiden. Indigene Sklaven wurden befreit und die Neugründung von Encomiendas verboten.168 Es fand also eine massive Beschneidung der ursprünglichen Rechte der Encomenderos statt, die dadurch eine weniger große Gefahr für die Autorität der Krone in Amerika darstellen sollten. Nájera beschreibt, das Ziel der Leyes Nuevas sei gewesen „to establish that the Crown, and not the encomenderos, held jurisdiction over the Indians in the encomiendas and over their labour.“ Nach dieser Interpretation waren es, wie oben schon angedeutet, unter Umständen auch für die Kirche nicht humanitäre Gründe, die im Vordergrund der Reformbestrebungen der Krone standen. Der Vasallenstatus der Indigenen sollte letztlich direkt auf die Krone übertragen werden.169 Es scheint wenig verwunderlich, dass die Leyes Nuevas auf heftigen, teils bewaffneten Widerstand der Kolonisatoren stießen, was zu ihrer Abschwächung in einer Version von 1552 führen sollte.170

IV.2 Proteste gegen die Reformen Das Datum 1542/43 kann nicht als klarer Bruch in der realen Geschichte der Institution Encomienda gewertet werden: „[…] the reform was in many parts ineffective.“171 Im gesamten Spanisch-Amerika waren die Siedler größtenteils unwillig, sich den Leyes Nuevas zu fügen. Zwischen 1544 und 1548 führten sie zur Rebellion in Peru unter der Führung Gonzalo Pizarros. Ein Passus der Leyes Nuevas erklärte zuvor, dass Eroberer, die am Konflikt zwischen Pizarro und Diego de Almagro im peruanischen Bürgerkrieg teilgenommen hatten, ihrer Encomiendas entzogen werden sollten. Aber auch Soldaten, die nicht im Besitz von Encomiendas waren, wohl aber ihren Betrieb aufrechterhielten, protestierten gegen die Reform.172 Zur Beruhigung der Lage wurden entscheidende Passagen der Leyes Nuevas dann wieder zurückgenommen, was ihren Reformcharakter letztlich streitbar macht.173 Großkommandant von Kastilien, Juan de Zuñiga y Avellaneda, setzte sich für eine Abschaffung der Leyes ein, da die Krone sonst das Problem habe, „conquistar dos veces aquellas provincias, una de los indios e otra de los espanoles.“ Nájera spricht davon, dass die Rebellion der Siedler 168

Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 57. Nájera: Contesting the World, S. 592. 170 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/286140/Laws-of-the-Indies#ref289373 (zuletzt abgerufen am 26.I.2015). 171 Kirkpatrick: Landless, S. 770. 172 Nájera: Contesting the World, S. 592f. 173 Hausberger: Lateinamerika, S. 58. 169

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in Peru der Krone erst Recht deutlich gemacht habe, dass rigorosere Politik notwendig sei, um die Siedler unter Kontrolle zu halten. Für den Moment aber ging die spanische Regierung auf die Proteste ein, da der bewaffnete Widerstand gegen die Gesetze eine zu große Bedrohung für die Krone darstellte.174 Die Bestrebungen der Krone, die Ausnutzung der Encomienda – sowohl humanitär als auch autoritär und finanziell durch die Encomenderos – durch die Leyes Burgos und Leyes Nuevas einzudämmen, scheiterten am Widerstand der Kolonisatoren. Ab 1552 versuchte die Krone, die Encomienda insofern zu reformieren, als es dem Encomendero verboten werden sollte, andere Dienste als die Eintreibung einer Pauschalsteuer in Anspruch nehmen zu dürfen. 175 Nichtsdestotrotz wurde das Encomienda-System nach und nach zurückgedrängt.176

V. Der Rückgang der Institution Encomienda In zentralen Regionen Mexikos begann der Rückgang der Encomienda bereits in den 1530erJahren.177 Auf den Antillen wurden die Indigenen größtenteils von Tributzahlungen freigesprochen, als sich ihre Zahl so stark verringert hatte, dass eine Besteuerung sich nicht mehr lohnte. Weiter südlich auf dem Kontinent wurden die Gewährleistungen von der Krone nach und nach entzogen und in Jahresrenten umgewandelt.178 Der selbstverschuldete Arbeitskräftemangel führte nicht nur zum Rückgang der Bedeutung der Institution, sondern schon bald zur massiven Einfuhr von Sklaven aus Afrika. Am Ende des 16. Jahrhunderts befanden sich 65.000 schwarze Sklaven in Spanisch-Amerika.179 Simpson spricht davon, die Encomienda habe bereits Ende des 16. Jahrhunderts aufgehört „to exercise any vital function in colonial life.“180 Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts veränderte sich auch die Migration nach Amerika: Anstelle von Eroberern kamen nun Siedler auf den Kontinent, deren Ziel nicht mehr die Unterwerfung von Indigenen war – dazu war deren Zahl oftmals auch zu gering –, sondern die Einführung eines europäischen Wirtschaftssystems.181 1634 wurde in

174

Nájera: Contesting the World, S. 593. Kirkpatrick: Landless, S. 765. 176 König: Indianerpolitik, S. 835 177 Yeager: Slavery, S. 847. 178 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 49. 179 Edelmayer: Lateinamerika, S. 50. 180 Simpson: New Spain, S. XII. 181 Assadourian: Colonial Economy, S. 55. 175

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Buenos Aires von Encomiendas berichtet, die zuvor aus mehr als 100 Ureinwohnern bestanden und mittlerweile auf vier oder gar keine geschrumpft waren.182 Ab 1550 wurde das Repartimiento-System verstärkt umgesetzt. Ziel hierbei war für die Krone, die Regeln und Bedingungen genauer bestimmen zu können, unter denen die Zwangsarbeiter arbeiteten.183 Das Wort bezeichnet die Verteilung von verschiedenen Gütern wie Geld, Land, Häusern, Nahrung, Kleidung, Steuern – also „any conceivable thing“.184 Die Arbeit der Indigenen wurde dabei nicht mehr durch einen privaten Unternehmer, sondern durch königliche Amtsträger vor Ort eingeteilt. Dabei durften beispielsweise nicht mehr alle Indios einer Dorfgemeinschaft zur Arbeit herangezogen werden, sondern lediglich ein geringer Prozentsatz der männlichen Bevölkerung. Die Arbeitspflicht wurde zeitlich begrenzt, das System bedeutete für die Indigenen zumindest eine kleine Verbesserung ihrer Situation. 185 Bis zum Ende der spanischen Herrschaft in Amerika blieb die Repartimiento üblich.186 Allerdings überlebte die Encomienda vor allem in äußeren Regionen der Machtbereiche wie Venezuela, Paraguay und der Halbinsel Yukatan bis zum Ende der Kolonialzeit.187 Die meisten Güter wurden 1550 aus Zentralmexiko und Peru nach Spanien geschifft.188 Mexiko war es auch, wo die Encomienda am ehesten gezähmt wurde. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden die Tributzahlungen hier durch die Krone geregelt und die persönlichen Dienstleistungen letztlich abgeschafft. Zur gleichen Zeit waren sie aber noch von großer Bedeutung in Peru und Chile und wurden gerade erst wichtig in Venezuela und Paraguay. In Venezuela wurde die Encomienda 1545 erst eingeführt, persönliche Dienstleistungen wurden bis 1687 verlangt. In Chile kam ihre Abschaffung erst 1789.189 Man kann also keinen für das gesamte spanisch-amerikanische Gebiet gültigen übergreifenden Entwicklungsverlauf der Encomienda zeichnen. In den peripheren Regionen überlebte die Encomienda „als Form der Arbeitsorganisation bis ins 18. Jahrhundert hinein.“190 Eine spätere Arbeit könnte sich tiefergehend mit

182

Kirkpatrick: Landless, S. 773. Bernd Hausberger: Die Organisation der Arbeit im kolonialen Hispanoamerika, in: Friedrich Edelmayer & Bernd Hausberger & Michael Weinzierl (Hgs.): Die beiden Amerikas. Die Neue Welt unter kolonialer Herrschaft, Wien 1996, S. 121-141, S. 125. 184 Kirkpatrick: Landless, S. 373. 185 Edelmayer: Lateinamerika, S. 50. 186 Hausberger: Organisation, S. 125. 187 Ebd., S. 124. 188 Yeager: Slavery, S. 851. 189 Batchelder & Sanchez: Encomienda, S. 57. 190 König: Indianerpolitik, S. 835. 183

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Die Encomienda V. Der Rückgang der Institution Encomienda

der Heterogenität des spanischen Kolonialraums in Amerika in diesem Bezug auseinandersetzen. Die Krone verlagerte ihre Prioritäten mit der Zeit weg von der Regulierung der ohnehin stark dezimierten Encomiendas.191 Stattdessen trat beispielsweise ab 1580 das Handlungssystem der „Usos y Costumbres“ vermehrt in Kraft, nachdem indigene Volksgruppen ein stärkeres Recht auf eigene Verwaltung hatten – sofern ihre Gebräuche nicht im Konflikt mit der katholischen Kirche oder der spanischen Krone standen.192 Das System erinnert sehr an die Bestrebungen Bartolomé de las Casas‘. Die indigenen Gemeinden konnten ein Verwaltungsmodell in Bezug auf Kommunikation, Familien- und Strafrecht sowie soziale Bräuche errichten, dass an die indigenen Traditionen und Moralvorstellungen angepasst war. So konnten beispielsweise die Repräsentation einer Gemeinde oder der Ressourcenumgang reguliert werden.193 Problematisch an dem System waren hingegen die ungleiche Machtverteilung und die Entstehung marginalisierter Gruppen innerhalb der Gemeinden in Bezug auf Alter, Klasse, Familie oder Geschlecht.194

191

Simpson: New Spain, S. XII. Perner: Staat, S. 19. 193 Ebd., S. 27. 194 Ebd., S. 103. 192

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Die Encomienda VI. Fazit

VI. Fazit Andres Santos spricht in Bezug auf die Encomienda von einem „elemento vertebrador de la colonización“, also dem Rückgrat der spanischen Kolonisation Amerikas.195 Ich denke, dass die vorangegangene Arbeit diese Einschätzung untermauert. Ich habe versucht aufzuzeigen, wie wichtig die Institution für die spanische Krone vor allem in der Anfangszeit der Kolonisation war – und dass sie, resultierend aus dem spanischen Feudalsystem, perfekt für deren Bestrebungen geeignet war. Aus rein bürokratischer Sicht scheint es fraglich, welches andere System die vordergründigen Ziele der Krone einer schnellen Erschließung des Gebiets, Unterwerfung der Ureinwohner und Verbreitung des christlichen Glaubens ähnlich effizient und ohne drohenden Machtverlust hätte umsetzen können. Nicht außer Acht zu lassen ist aber auch das Bestreben der Krone, durch die Kolonisation ihren Wohlstand zu steigern – auch dafür war das Encomienda-System in der Anfangszeit der Kolonisation ideal. Verantwortung wurde an Privatpersonen übertragen, die man mit nicht zu großer, geschweige denn vererbbarer Macht ausstattete, und deren Ertrag man sich einverleiben konnte. Humanitäre Katastrophen spielten für die Krone dabei eine untergeordnete Rolle. Der aufkommenden Problematik des Arbeitskräftemangels wurde durch die Einfuhr von afrikanischen Sklaven entgegengewirkt, es bestand aus wohlstandsmaximierender und bürokratischer Sicht keine Dringlichkeit, die Institution und ihren humanitären Missbrauch einzudämmen. In den späteren einschneidenden Reformversuchen sollte man meiner Meinung nach weniger Indianerschutzgesetze als vielmehr den Versuch sehen, die eigene Wirkungsmacht im fernen kolonisierten Gebiet nicht zu verlieren, und daher die Encomenderos in ihren Rechten zu beschneiden. Man kann in dem Vorgehen der Krone – Einführung des Systems, Reformversuche, Ablösung durch Repartimiento, als die Macht der Encomenderos durch den Bevölkerungsschwund sank – also durchaus einen länger angelegten Kolonisierungsplan erkennen, in dem die Encomienda zweifellos die Rolle des antreibenden und stabilisierenden Rückgrats zukommt. Die Krone musste Sorge haben vor einer schwer zu verwaltenden, weit entfernten parallelen spanischen Gesellschaft. Es ist nicht verwunderlich, dass es ein sich durch die Jahre hindurchziehendes Bestreben war, die Encomienda nie langfristig vererbbar zu machen, und auch keine im Vergleich zur Encomienda nachhaltige flächendeckende Sklaverei einzuführen. Dass dieser Umstand direkt mit den schlechten Arbeitsbedingungen der Indigenen verknüpft ist, die von

195

Santos: Usufructo, S. 246.

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Die Encomienda VI. Fazit

den Encomenderos in der kurzen Zeit, die diese mit ihnen hatten, zu so viel Diensten wie möglich genutzt wurden, hat diese Arbeit aufgezeigt. Selbst die Rolle der Kirche und ihrer reformbestrebten Vertreter wie Las Casas ist nicht eindeutig als positiv humanitär dem Missbrauch entgegenwirkend einzuschätzen. Zwar gäbe die Feststellung des Papstes, die Indigenen seien auch Menschen, theologischen Anlass, deren Bedingungen zu verbessern – doch auch die Kirche war nicht frei von monetären Interessen in den neu erschlossenen Gebieten. Ihr Protest gegen die harten Arbeitsbedingungen kann nun eben nicht ausschließlich humanitär gedeutet werden, sondern auch als Missfallen der Tatsache, dass potentiell zu missionierende Menschen einer brutalen Kolonialpolitik zum Opfer fielen – und dadurch weniger Ertrag in Form des Zehnten liefern konnten. Am Ende ist klar festzustellen, dass vor allem die indigene Bevölkerung Amerikas die Leidtragende ist. Nicht die Krone, weil sie um ihre Macht, nicht die Kirche, weil sie um ihren Ertrag fürchten musste. Die Urbevölkerung verkam schnell zum Spielball der Interessensvertreter, und hat diese Rolle auch nie aktiv verlassen können, sondern erst dann, als ihre Bedeutung einhergehend mit ihrer Gesamtzahl massiv verringert wurde – ebenso wie das Interesse der Krone am Schicksal der nun noch wenigen Ureinwohner. Die Abschaffung der persönlichen Dienstleistungen stellt zudem nicht mehr als einen rechtlichen Mythos dar, wenn die Indigenen anstelle der Encomenderos nun den Vertretern der Krone dienen mussten, als diese größere Kontrolle über die Kolonialgebiete erhalten hatten.

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Die Encomienda VII. Literaturverzeichnis

VII. Literaturverzeichnis 



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