Varia Philologica: Papyrus Wien Aeg 8426, x+I,18–23

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Descripción

Göttinger Miszellen Beiträge zur ägyptologischen Diskussion

Heft 236

Göttingen 2013

Göttinger Miszellen is a refereed journal Advisory Board: Mohamed Sherif Ali, Kairo Heike Behlmer, Göttingen Ola El-Aguizi, Kairo Fayza Haikal, Kairo Boyo Ockinga, Sydney Wolfgang Schenkel, Tübingen Wolfhart Westendorf, Göttingen

recommended abbreviation: GM ISSN 0344-385X Herausgegeben von Mitarbeitern des Seminars für Ägyptologie und Koptologie der Georg-August-Universität Göttingen V.i.S.d.P.: Heike Sternberg-El Hotabi Satz und Layout: Orell Witthuhn Druck und Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen Die veröffentlichten Artikel geben nicht immer die Meinung der Redaktion wieder. Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeber reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Unverbindlicher Einzelverkaufspreis dieses Heftes im Direktbezug: € 5.00 zuzüglich Versandkosten

INHALTSVERZEICHNIS TECHNISCHE HINWEISE..........................................................................................4 KURZBEMERKUNGEN Ritner, Robert K.: Some Errors in a Publication of the Petrie Collection .....................5 MISZELLEN Aston, David A.: TT 320 and the QAy of Queen Inhapi – A Reconsideration Based on Ceramic Evidence ..........................................................................................7 Haili, Wang: Liu Wenpeng und die chinesische Ägyptologie ....................................21 Jenni, Hanna: Totenbuch- und andere Sprüche auf dem Deckel des Sarkophages Sethos’ I. ......................................................................................................31 Klotz, David: The Mortuary Texts on Statue JE 38001 (K. 603) ...............................43 Kurth, Dieter: Kriegsverluste – Zwei Stelen der ägyptischen Sammlung KestnerMuseums Hannover .....................................................................................51 Monnier, Franck: Les „narines au-dessus de leurs murs“ (l. 9 de la stèle II de Kamosé) .......................................................................................................59 Morenz, Ludwig D.: Spuren besonderer Bild-Schriftlichkeit auf dem Hochplateau von Serabit el-Chadim .........................................................................................65 Roeten, L.H.: Some remarks about the development of the pyramids of the 3rd and 4th dynasty and the initial orientation of the pyramid complex of Maidum. Part II .....................................................................................................................75 Schenkel, Wolfgang: Ugarit – Agurit. Warum der Ägypter die Silbenfolge Cu – Ca als unangenehm empfand .................................................................................87 Theis, Christoffer: Varia Philologica: Papyrus Wien Aeg 8426, x+I,18–23 ...............91 Vittmann, Günter: Noch einmal der große Priesterstammbaum in Karnak ...............97 NOTIZEN ZUR LITERATUR Quack, Joachim Friedrich: Zur Verteidigung eines angeblichen Ghostwords .........109

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CHRISTOFFER THEIS

Varia Philologica: Papyrus Wien Aeg 8426, x+I,18–23

In einer rezenten Arbeit hat NICOLAS FLESSA den relativ fragmentarisch erhaltenen Papyrus Wien Aeg 8426 publiziert.1 Dieses Werk, das aufgrund der Paläographie in die Zeit zwischen und 50 und 150 nach Christus zu datieren ist, enthält acht verschiedene Texte, die jeweils kurz eine Bedrohung respektive einen gegen diese anzuwendenden Schutz thematisieren. Als Rezipient diente der Pharao, wie es die Textbelege x+I,1f., x+I,3, x+I,11, x+I,20–22 und x+I,24 direkt zeigen. Das Thema des folgenden Beitrags ist der sechste Spruch in pWien Aeg 8426, x+I,18–23,2 wobei insbesondere die Bearbeitung und die Ergänzungen von FLESSA einer genaueren Betrachtung unterzogen werden sollen. Zu diesem Text ist die glückliche Lage gegeben, dass eine Parallele in Edfou I, 312,13–313,4 vorliegt. Der sechste Spruch in pWien Aeg 8426, x+I,18–23 beginnt mit der typischen Einleitung kÌ rA für einen anderen Text, im Folgenden werden zwei Göttinnen und zwei Uräen angerufen. Die ursprüngliche Formulierung ist durch die Parallele in Edfou I, 312,13–15 relativ genau wieder herzustellen: pWien Aeg 8426, x+I,18f.:3

Edfou I, 312,13–15:4

x+I,18

13

k(Ì)-rA Ì nTr.tÌ x+I,19[Ìpw n.t Or] [h# w#D.tÌ Ìpw n.t Or] [wo.t Ìm=tn r p.t wo]&.t\ Ìm=tn r t# wo.t Ìm=tn r rÈÌ wo.t Ìm=tn r mH.t x+I,20 [wo.t Ìm=tn r Ìmn.tt wo.t Ìm=tn r Ì#b.tt]

Dd-mdw Ì nTr.tÌ Ìpw n.t Or h# w#D.tÌ Ìpw n.t 14Or wo.t n-Ìm=tn r p.t wo.t n-Ìm=tn r t# wo.t n-Ìm=tn r rÈÌ wo.t n-Ìm=tn r mH.t wo.t n-15Ìm=tn r Ìmn.tt wo.t n-Ìm=tn r Ì#b.tt

„x+I,18Ein anderer Spruch/ 312,13Worte zu sprechen: O diese beiden Göttinnen x+I,19des Horus. He, diese beiden Uräusschlangen des 312,14Horus. Eine von euch zum Himmel, eine andere von euch zur Erde! Eine von euch in den Süden, eine (andere) von euch nach Norden! x+I,20Eine 312,15von euch zum Westen, eine (andere) von euch nach Osten!“

Zur Identifikation der vier Uräen bzw. Schlangen liegen differierende Meinungen vor. PHILLIPE DERCHAIN schlug als Gleichsetzung nach pSalt 825 die Göttinnen Tefnut, MHy.t, Sachmet und Nephthys vor.5 ROBERT K. RITNER merkte an, dass lediglich drei der vier im 1

N. FLESSA (Hrsg.), “(Gott) schütze das Fleisch des Pharao”. Untersuchungen zum magischen Handbuch pWien AEG 8426, Corpus Papyrorum Raineri XXVII, Leizig 2006.

2

Siehe OP. CIT. S. 84–94 [Anm. 1].

3 4

Text folgt OP. CIT. Tf. 5 [Anm. 1]. Text folgt M. DE ROCHEMONTEIX & É. CHASSINAT, Le temple d’Edfou I,2. Deuxième édition revue et corrigée par S. CAUVILLE & D. DEVAUCHELLE, Kairo 1984, S. 312,13–15.

5

Vgl. P. DERCHAIN, Le papyrus Salt 825 (B.M. 10051), ritual pour la conservation de la vie en Égypte, Brüssel 1965, S. 188, Anm. 209.

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Relief zu Edfu I, 312 dargestellten Göttinnen mit Löwenköpfen versehen wurden. Die letzte Dargestellte trägt den Kopf einer Schlange. Als Gleichsetzung, unter der Hinzuziehung anderer Quellen, schlug er Sachmet, Bastet, Wadjet, Wr.t-Hk#.w, Wn.t, Rnnwt.t, MnHy.t und Hathor Quadrifrons vor.6 Es folgt in pWien Aeg 8426, x+I,20f. ein von FLESSA rekonstruierter Teil,7 der zwar ebenso Edfou I, 312,15f. als Parallele zur Ergänzung heranzieht, hier allerdings zwei wichtige Teile falsch gelesen hat. Seine Übersetzung lautet: „Die Eine von Euch sei im Inneren PharaosL.H.G.! Die Andere von Euch sei hinter ihm als sein Schutz! Die Eine von Euch sei (als) sein s#-Schutz! Die andere von Euch sei (als) sein mk.t-Schutz! Er ist Euch anvertraut Tag und Nacht und umgekehrt!“

Basierend auf seiner Übertragung wollte FLESSA dieser Textstelle eine Differenzierung zwischen s#- und mk+.t-Schutz entnehmen.8 Betrachtet man allerdings den realen Wortlaut in Edfou I, 312,15–17 kommen direkt Zweifel an dieser Interpretation: 312,15 312,16

312,17

312,15

{s}o.t n-Ìm=tn m-xnw n n(.Ì)-Èw.t-bÌ.t ¡AIwo-n-nTr.wÌ-mnX.wÌ Ètp-(n)-PtH wÈr-k#-Ro ÈXmonX-(n)-AImn¼ 312,16&k\[.t] Ìm=tn H#=f m s#=f k.t Ìm=tn m s# È.t=f k.t n-Ìm=tn m s# Hnk.t=f Ìw ÈÌp Èw hrw n grH 312,17Ts-pxr „312,15Eine von euch (ist) in König ¡Ptolemaios IV. Philopator¼, 312,16eine (andere) von euch ist hinter ihm als sein Schutz. Eine von euch ist der Schutz seines Throns, eine (andere) von euch ist der Schutz seines Schlafgemachs, da er (euch) anvertraut ist Tag und Nacht, 312,17und umgekehrt.“9

Entspricht die erste Passage der weltlichen Bestimmungen von pWien Aeg 8426, x+I,18–20 nach der partiellen Rekonstruktion von FLESSA noch Edfou I, 312,13–15, weicht der zweite Abschnitt in pWien Aeg 8426, x+I,20f. direkt von Edfou I, 312,15f. ab.10 FLESSA ergänzte die betreffende Stelle mit , woraus sich seine Kontrastierung von s#- und mk+.t-Schutz ergibt – mk+.t soll hierbei einen äußeren, s# aber einen inneren Schutz bewirken.11 Zieht man Edfou I, 312,16 hinzu, zeigt sich deutlich die Fehlinterpretation, die durch den Umstand begründet ist, dass FLESSA nach eigener Aussage die ptolemäische Orthographie durch „eine ‚behutsame Rückführung’ dieser Schreibungen in eine schmucklose, mittelägyptische Orthographie“ verändert und im Folgenden missinterpretiert hat.12 Als zweiter Teil des Schutzspruchs liegt in Edfou I, 312,16 wie oben gezeigt

vor, was definitiv als k.t Ìm=tn m s# È.t=f k.t n-Ìm=tn m s#

6

Vgl. R.K. RITNER, O. Gardiner 363: A Spell against Night Terrors, in: JARCE 27 (1990), S. 25–41, hier S. 39, Anm. 63.

7

Siehe FLESSA, Fleisch des Pharao, S. 84 & S. 90f. [Anm. 1]. Als Umschrift wird [k.t Ìm=Tn m-xnw Pr]-o# o.w.È. k.t Ìm=Tn H#=f m s#=f k.t Ìm=Tn [m s#=f k.t Ìm=Tn m mk.t=f] geboten, obwohl ibd. S. 132 die korrekten Hieroglyphen aus dem Tempel von Idfū geführt werden.

8 9

Siehe OP. CIT. S. 90f. [Anm. 1]. Hieroglyphen nach DE ROCHEMONTEIX & CHASSINAT, Edfou I, S. 312,15–17 [Anm. 4].

10 Siehe die rekonstruierte Passage bei FLESSA, Fleisch des Pharao, S. 84 [Anm. 1]. 11 Siehe OP. CIT. S. 90 [Anm. 1] sowie die Hieroglyphen auf S. 84. 12 OP. CIT. S. 85 [Anm. 1].

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Hnk.t=f mit der oben gebotenen Übersetzung wiederzugeben ist.13 Somit bleibt keine Möglichkeit einer Differenzierung der beiden Schutzbegriffe durch diese beiden parallelen Textstellen, da im Tempel von Idfū nicht zwischen s# und mk+.t unterschieden respektive mk+.t überhaupt nicht erwähnt wird. Als korrekte Umschrift ist mit Edfou I, 312,15f. für pWien Aeg 8426, x+I,20f. anzugeben: x+I,20

[wo.t n-Ìm=tn m-xnw ^pr-o#¼] Hnk.t=f]

o.w.È.

k.t Ìm=tn H#=f m s#=f k.t Ìm=tn [m s# È.t=f k.t Ìm=tn m s#

Eine weitere, wenn auch leider nur fragmentarisch erhaltene Wiedergabe des Spruchs liegt auf dem noch unpublizierten Papyrus Carlsberg 646 vor.14 Als vergleichbare Parallelen sei hier noch auf Edfou VI, 146,2; 151,2f.18 und Dendara V, 152,9f. hingewiesen, die den Schutz des Throns und des Schlafgemachs direkt nebeneinander erwähnen, aber ebenso keinen Unterschied zwischen s# und mk+.t bieten. In allen Fällen ist s# als Ausdruck der Schutzfunktion verwendet worden.15 Des Weiteren bleibt noch eine Marginalie im sechsten Spruch von pWien Aeg 8426, x+I,21f. zu verbessern. Wollte FLESSA an genannter Stelle Omy.t [Odd.t Omy.t Hr ÌX.wt=f] rekonstruieren,16 ist dies mit Edfou I, 312,17– 313,1 als Omy.t Odd.t Omy.t Ow.t-Or Hr ÌX.t=È „Omy.t, Odd.t,17 Omy.t (und) Hathor seien auf ihren Sachen“ zu lesen. Das feminine Suffixpronomen fungiert hier als Rückverweis auf die in pWien Aeg 8426, x+I,21 und Edfou I, 312,17 genannte Bedrohung des Herrschers durch ÌX.t nb.t Dw(.t). Vier Schlangen respektive Uräen versinnbildlichen nach Edfou I, 312,15f. und pWien Aeg 8426, x+I,20f. den Schutz von vier Lokalitäten: im Inneren Pharaos, hinter dem Herrscher, 13 Vgl. die Nennung des Schutzes des Schlafgemachs in pCarlsberg I, 1,20 bei O. NEUGEBAUER & R.A. PARKER, Egyptian Astronomical Texts I: The Early Decans, London 1960, S. 45 und in pLouvre 3176, V,2.5.20; 6,15 bei P. BARGUET, Le papyrus N. 3176 du Musée du Louvre, BdE 37, Kairo 1962, S. 15. Die bei S. SCHOTT, Bücher und Bibliotheken im Alten Ägypten. Verzeichnis der Buch- und Spruchtitel und der Termini technici, hrsg. von Erika Schott, Wiesbaden 1990, S. 327 (Nr. 1481) genannte Parallele aus pKairo 58027, x+IV,8c ist mit A.H. PRIES, Das nächtliche Stundenritual zum Schutz des Königs und verwandte Kompositionen. Der Papyrus Kairo 58027 und die Textvarianten in den Geburtshäusern von Dendara und Edfu, SAGA 27, Heidelberg 2009, S. 94 nicht als s# Hnk.t sondern als sH-Hnky.t „Schlafgemach“ zu lesen. 14 Nach persönlicher Mitteilung von JOACHIM F. QUACK. 15 Die aufgeführten Änderungen des Textes finden in der Rezension von P.C. NADIG, Rezension zu N. FLESSA (Hrsg.), “(Gott) schütze das Fleisch des Pharao”. Untersuchungen zum magischen Handbuch pWien AEG 8426, Corpus Papyrorum Raineri XXVII, Leizig 2006, in: BMCR 2008.01.65 [Online verfügbar unter http://bmcr.brynmawr.edu/2008/2008-01-65.html, Zugriff am 22. Juli 2012] keine Erwähnung. 16 Siehe FLESSA, Fleisch des Pharao, S. 84 [Anm. 1]. 17 Ḥdd.t stellt in der griechisch-römischen Epoche mehrheitlich eine Bezeichnung der Isis dar, hierzu B. ALTENMÜLLER, Synkretismus in den Sargtexten, GOF, Reihe IV: Ägypten, Band 7, Wiesbaden 1975, S. 163; J.-C. GOYON, Confirmation du pouvoir royal au nouvel an (Brooklyn Museum Papyrus 47.218.50), BdE 52, Kairo 1972, S. 65 und auch die bei C. LEITZ (Hrsg.), Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, 8 Bde., OLA 110–116, Leuven 2002–2003, hier LGG 5, S. 598a–c & S. 599a gesammelten Belege. In wenigen Fällen kann Ḥdd.t auch einen Beinamen der Hathor darstellen, vgl. J.-C. GOYON, Hededyt: Isis-Scorpion et Isis au Scorpion en marge du Papyrus de Brooklyn 47.218.50 – III, in: BIFAO 78 (1978), S. 439–458, hier S. 439f. mit weiteren Meinungen. Weitere Quellen bei ibd. S. 458 und LEITZ (Hrsg.), LGG 5, S. 597c & S. 598a.

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Thron und Schlafgemach. Die Nennung ‘Im Inneren Pharaos’ fällt etwas aus der Aufzählung heraus, da die weiteren Aufführungen direkt in einem Raum zu situieren sind. Als Entsprechung sei hier auf Illustrationen von pSalt 825 verwiesen. So zeigt Vignette XII18 einen umgrenzten Raum, in dem sich Seth und ein gebundener Mann befinden, auf dem sich vier Schlangen befinden; in Vignette XIX tauchen hinter verschiedenen Gottheiten vier Schlangen in ihrer Verkörperung als Tefnut, MHy.t, Sachmet und Nephthys auf.19 Die in oGardiner 363, Z. 8f.20 genannten [oror]y.wt oder [SpÈ]y.wt wurden bereits von KASIA SZPAKOWSKA mit aus verschiedenen Stätten Ägyptens und der Levante bekannten aus Ton gefertigten Kobrastatuetten in Verbindung gebracht.21 Dementsprechend ließe sich an diesem Beispiel die philologische Erwähnung durch archäologisches Material bestätigen – allerdings ist kein Fund aus den genannten Orten bekannt, der explizit vier Schlangen in vier Ecken eines Raums erhalten hätte. Als ein weiterer möglicher Beleg ist der Fund von vier Schlangenstatuetten aus Dayr alBaḥrī zu erwähnen.22 Diese wurden im Kontext einer Grabausstattung aus der dritten Zwischenzeit gefunden, leider wird nicht erwähnt, ob sich diese noch in situ befanden. Im Kontrast zum in den Texten genannten Material Ton waren diese aber aus Holz gefertigt, so dass eine direkte Zuordnung nur vorläufiger Natur sein kann. Die vier Schlangenstatuetten dürften auch mit den in Edfou VI, 145,1f. genannten SpÈ.wt AIp.t „Ehrwürdigen der AIp.t“ identisch sein, die um den Naos des Horus zu dessen Protektion aufgestellt werden sollten. Die Ehrwürdigen werden in pChester Beatty VIII, vs. 1,8 und 2,123 direkt mit der Zahl Vier, allerdings ohne die Nennung der AIp.t, in Verbindung gebracht, was sich mit den vier Kardinalpunkten eines Raums in Verbindung setzen lässt.24 Als direkte 18 Siehe DERCHAIN, pSalt 825, S. 22* [Anm. 5]. 19 Siehe OP. CIT. S. 24* [Anm. 5]. Bei S. CAUVILLE, L’hymne à Mehyt d’Edfou, in: BIFAO 82 (1982), S. 105– 125 liegt eine Zusammenstellung der Schutzhymnen durch die Göttin MHy.t vor. Vgl. hierzu auch die Nennung von vier Schlangen im großen Repithymnus im Tempel von Kūm al-Atrīb, II,x+6, bei C. LEITZ, Der große Repithymnus im Tempel von Athribis, in: C. ZIVIE-COCHE & I. GUERMEUR (Hrsg.), Parcourir l’éternité. Hommages à Jean Yoyotte, Turnhout 2012, S. 757–775, hier S. 759 & Anm. m. 20 Publiziert von J. ČERNÝ & A.H. GARDINER, Hieratic Ostraca, Vol. 1, Oxford 1957, S. 29, Tf. 109, Nr. 1 und RITNER, in: JARCE 27 (1990), S. 25–41, von dem die Ergänzung mit [oror]y.wt stammt; kurzer Auszug bei īdem, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practise, SAOC 54, Chicago 1993, S. 224, Anm. 1042. 21 K. SZPAKOWSKA, Playing with Fire: Initial Observations on the Religious Uses of Clay Cobras from Amarna, in: JARCE 40 (2003), S. 113–122, hier S. 121, sowie folgend A. STEVENS, Private Religion at Amarna. The Material Evidence, BAR International Series 15887, Oxford 2006, S. 102 und E.A. WARAKSA, Female Figurines from the Mut Precinct. Context and Ritual Function, OBO 240, Freiburg/ Göttingen 2009, S. 155. 22 Gefunden in Schacht S.7A/82, siehe die Publikation von Z.E. SZAFRANSKI & M. BARWIK, Polish-Egyptian Archaeological and Conservation Mission of the Temple of Hatshepsut at Deir el-Bahari, Season 2004– 2005, in: ASAE 80 (2006), S. 531–554, hier S. 533 & Tf. 11. 23 Publiziert von A.H. GARDINER, Chester Beatty Gift, 2 Bde., London 1935, hier Bd. I. S. 71 sowie Bd. II, Tf. 44. 24 Nach pChester Beatty IX, vs. B 14,9f. t# fd(.t) SpÈy.t n(.t) pr PtH „die vier Ehrwürdigen des Hauses des Ptah“ befanden sich dereinst solche Objekte ebenso im Tempel, siehe die Publikation von GARDINER, Chester Beatty Gift I, S. 111 [Anm. 23]. Diese finden ebenso in K.A. KITCHEN, Ramesside Inscriptions II, Oxford 1979, S. 264,5 im Dekret des Ptah Erwähnung und sind wahrscheinlich mit den vier Edlen in pKairo CG 58035, vs. 56f. bei I.E.S. EDWARDS, Oracular Amuletic Decrees in the Late New Kingdom, Hieratic Papyri in the British Museum 4, London 1960, S. 96 & Tf. 38 identisch, die hier als t# fd.t SpÈy.t -Ìb Hw.t-k#-PtH „Die vier Edlen, die der k#-Kapelle des Ptah sind“ bezeichnet werden.

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Parallele kann der bisher noch unpublizierte pAthen, Nat.-Bibl. 1826, der am Ende der 19. oder zu Beginn der 20. Dynastie entstanden ist, gelten, der in rt. X, 16,8 vier Edeldamen t# fd.t SpÈ.t25 nennt.26 Diese dienten der Ritualanweisung in pAthen, Nat.-Bibl. 1826, rt. x+16,8–10 nach dem Schutz des Schlafgemachs. Die Aufgabe der Vier wird direkt in einer Hymne deutlich, die auf dem äußeren Sarkophagdeckel Merenptahs, heute Kairo, Äg. Mus. JdÉ 85911, angebracht wurde. Dieser durch Neith gesprochene Text bezeichnet deren Bestimmung wie folgt: „Ich veranlasse, daß ‚die vier Edeldamen‘ für dich brennen, daß sie dir leuchten auf allen deinen Wegen, daß sie dir deine Feinde abwehren Tag für Tag, daß die den Rebellen vertreiben, den Bösartigen.“27

Bei dem ‘Bösartigen’ Ew-qd handelt es sich nach pBremner-Rhind, 22,4.16.22 und 32,18 um eine Bezeichnung für Apophis.28 Die Hymne lässt sich mit einem Spruch zur Beisetzung in TT 23 verbinden, in der zum Toten gesagt wird: Ìw n=k Ìfd.w SpÈÈ.w „zu dir Kommen die vier Ehrwürdigen“.29 Demnach ist die Aufgabe der vier Ehrwürdigen nicht auf eine spezielle Raumkonstituente oder eine Situierung zu beschränken, vielmehr ist diese fließender Natur. Dienten vier Schlangen respektive Uräen nach pWien Aeg 8426, x+I,20f. und Edfou I, 312,15f. dem Schutz des Schlafgemachs und des Throns, sprich dem Palast des Herrschers als umfassende Raumeinheit, sind diese nach oGardiner 363, Z. 8f. und pAthen, Nat.-Bibl. 1826 rt. x+16,8–10 ebenso für die Protektion eines privaten Bettes sowie nach pChester Beatty VIII, vs. 1,8 und 2,1 für die Obhut eines Privathauses zuständig. Durch die genannte Hymne auf dem Sarkophagdeckel Merenptahs und dem zitierten Zeugnis aus TT 23 ist deren Protektion, bedingt durch die Situierung der Objekte, auch auf die letzte Ruhestätte auszuweiten. Zum Abschluss sei noch auf einen interessanten Zusammenhang zu Horapollo, Hieroglyphica, I,1 hingewiesen, der über die Uräusschlange wie folgt zu berichten weiß: Ὃν καλοῦσιν Αἰγύπτιοι Οὐραῖον ὅ ἐστιν Ἑλληνιστὶ βασιλίσκον ὅνπερ χρυσοῦν ποιοῦντες θεοῖς περιτιθέασιν

25 So die Schreibung in pAthen, Nat.-Bibl. 1826, rt. X, 16,8, nach freundlicher Mitteilung von HANS-WERNER FISCHER-ELFERT. 26 Publikation von H.-W. FISCHER-ELFERT & F. HOFFMANN, Die magischen Texte und Bilders des Athener Zauberpapyrus Nr. 1826 in Vorbereitung. Übersetzung der betreffenden Passage bei H.-W. FISCHERELFERT, Altägyptische Zaubersprüche, mit Beiträgen von Tonio Sebastian Richter, Stuttgart 2005, S. 82f. Eine Zusammenfassung liegt bei īdem, Quelques textes et une vignette du Papyrus magique no 1826 de la Bibliothèque nationale d’Athèns, in: Y. KOENIG (Hrsg.), La Magie en Égypte: à la recherche d’une définition. Actes du colloque organisé par le musée du Louvre les 29 et 30 septembre 2000, Paris 2002, S. 169–184 vor. 27 Übersetzung nach J. ASSMANN, Die Inschrift auf dem äußeren Sarkophagdeckel des Merenptah, in: MDAIK 28 (1972), S. 47–73, hier S. 53 (entspricht K.A. KITCHEN, Ramesside Inscriptions IV, Oxford 1982, S. 69,7). 28 Publiziert von R.O. FAULKNER, The Papyrus Bremner-Rhind (British Museum No. 10188), BAe 3, Brüssel 1933, S. 42, S. 44f. & S. 89. Übersetzung der betreffenden Stelle bei īdem, The Bremner-Rhind Papyrus – III, in: JEA 23 (1937), S. 166–185, hier S. 167f. und īdem, The Bremner-Rhind Papyrus – IV, in: JEA 24 (1938), S. 41–53, hier S. 52. 29 Nach ASSMANN, in: MDAIK 28 (1972), S. 63.

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„Die Ägypter nennen sie ‘Uräus’, was auf Griechisch ‘Basilisk’ bezeichnet. Sie fertigen sie aus Gold (und) stellen sie um die Götter auf.“30

Da Horapollo hier explizit über Schlangenstatuetten informiert, die in ägyptischen Tempeln um die Götter aufgestellt wurden, kann es sich hierbei nur um die Figuren selbiger im Naos handeln, so dass sich diese Stelle explizit, unter Heranziehung der erklärenden ägyptischen Passagen über vier Schlangen, mit der Protektion des Raums Tempel in Verbindung setzen lässt. Somit wäre noch zu Horapollos Zeit im ausgehenden fünften respektive beginnenden sechsten nachchristlichen Jahrhundert die Kenntnis über einen Ritus, wie er in Edfou VI, 145,1f. aus dem Ritual zum Schutz des Hauses (s# pr)31 belegt ist,32 zu attestieren.

30 Griechischer Text nach A.T CORY, The Hieroglyphics of Horapollo Nilous, London 1987, S. 6 und H.-J. THISSEN, Des Niloten Horapollon Hieroglyphenbuch, Band 1: Text und Übersetzung, APf Beiheft 6, Leipzig 2001, S. 2, der hier περιτίθημι mit „umlegen“ übersetzt. 31 Der Titel taucht auch in anderen Werken auf, so z.B. bei R.O. FAULKNER, An Ancient Egyptian Book of Hours (Pap. Brit. Mus. 10569), Oxford 1958, S. 30*, Kol. 19,10, und wird im Bücherkatalog in Edfou III, 347,13 neben anderen magischen Werken zum Schutz bestimmter Räume erwähnt. Speziell zur Komposition dieses Textes A. GRIMM, Altägyptische Tempelliteratur. Zur Gliederung und Funktion der Bücherkataloge von Edfu und et-Tôd, in: S. SCHOSKE (Hrsg.), Akten des vierten internationalen Ägyptologen Kongresses München 1985, BSAK 3, Hamburg 1989, S. 159–170, hier S. 160f. 32 Publikation von D. JANKUHN, Das Buch „Schutz des Hauses“ (s#-pr), Bonn 1972. Das Ritual ist in Mammisi d’Edfou, 172–181 & Tf. 45f. (hierzu auch M. ALLIOT, Le culte d’Horus à Edfou au temps des Ptolémées, BdE 20, Kairo 1954, S. 635–638) aus der Zeit Ptolemaios’ X. Alexander I. (110–109 & 107–88), in Edfou VI, 143–152 und Edfou X, Tf. 149 (Übersetzung ausgewählter Passagen bei D. KURTH, Treffpunkt der Götter. Inschriften aus dem Tempel des Horus von Edfu. Eingeleitet, Übersetzt und Erläutert von Dieter Kurth, Zürich/ München 1994, S. 240–242) aus der Zeit Ptolemaios’ XI. Alexander II. (80) und in Dendara V, 151,18; 152,9f.; VI, 90,20–91,10 und Dendérah III, Tf. 35a+b & Tf. 69c–e aus der Zeit Ptolemaios’ XIII. (51–47) überliefert. Eine Neubearbeitung nebst mythologischem und philologischem Kommentar befindet sich durch C. THEIS, Magie und Raum (Titel der laufenden Dissertation in Heidelberg) in Vorbereitung.

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